Leib und Seele – ein Pferd neben einen Ochsen gespannt

Von Freunden erhalte ich hie und da mehr oder weniger geistreiche, witzige oder schöne Powerpoint Präsentationen „zur Aufmunterung“ oder mit Glückwünschen zum Valentin oder Ähnlichem. Die eine scheint mir Grossvater, der seine Enkel manchmal im Auto transportiert, durchaus aktuell zu sein. Jedenfalls weckt sie Erinnerungen an die Zeit, als meine Kinder klein waren oder gar an meine eigene Kindheit. Die Präsentation heisst „Glückliche Kindheit“ und ist so bekannt, dass wohl die eine oder andere sie kennen wird. Darin werden die glücklichen Fünfziger- und Sechziger Jahre des letzten Jahrhunderts besungen, als Kinder zwar gefährlich lebten, dabei aber noch „frei und glücklich“ waren, weil …

… im Auto weder Sicherheitsgurte noch Kindersicherungen existierten, sodass sie während der Fahrt lustig auf der Sitzrückbank herumtollen konnten;

… sie im Freien ohne Aufsicht und Kontrolle bis zum Einbrechen der Nacht spielen konnten, und niemand wusste, wo sie sich aufhielten;

… wegen Prügeleien und Raufereien kein Kind verklagt wurde;

… niemand wegen schlechten Noten zum Psychologen geschickt wurde;

… man ohne Helm Velo fahren konnte;

… usw.

Die lustige, aber wohl ernst gemeinte, nostalgische Präsentation zieht ein Fazit: Nur so, nur in einer so freien und kindgerechten Welt konnte man zu einer Persönlichkeit heranwachsen. Wahrscheinlich steckt da ein Kern Wahrheit drin. Jedenfalls finde ich, dass Kinder heute oft zu wohlbehütet und zu exakt kontrolliert sind; sie haben zu viele organisierte „Termine“, die fast alle mit Lernen und Leistung und nur sehr oberflächlich mit Spiel und Spass zu tun haben. Hoffentlich irre ich mich da!

A propos Spiel und Spass. In einer anderen Präsentation, die in meinem Computer lagert, verkündet Hermann Hesse: Wenn du zu deinem Vergnügen erst die Erlaubnis anderer Leute brauchst, dann bist du wirklich ein armer Tropf. Die Präsentation heisst „Weisheiten“ und zitiert Sprüche von Brecht, Cicero, Ghandi, Horaz, Platon, Seneca, Tucholsky und vielen anderen. Einige davon sind wirklich bedenkenswert und gefallen mir:

Konfuzius: (551 – 479 v Chr.): Ein Mann, der die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd. Die Metapher gilt wohl auch im heutigen China – und nicht nur dort.

Mark Twain (1835 – 1910): Tatsachen muss man kennen, bevor man sie verdrehen kann. Man kann allerdings auch ohne jedwede Kenntnis Dummheiten verkünden, dünkt mich.
Und:
Der Mensch ist das einzige Lebewesen, das erröten kann. Es ist aber auch das einzige, das Grund dazu hat.

Aristoteles (384 – 322 v Chr.): Was es alles gibt, das ich nicht brauche. Vor Christi Geburt? Da gab’s doch noch gar keine Konsumtempel!

Brechts Aphorismus zum Krieg habe ich bereits letzten Monat zitiert:
Bertold Brecht (1898 1956): Wer kämpft, kann verlieren, wer nicht kämpft, hat schon verloren.
Von Brecht stammt auch das sehr bekannte: Der Bankraub ist eine Initiative von Dilettanten. Wahre Profis gründen eine Bank.

In einer solchen Sammlung weiser Sprüche darf Wilhelm Busch (1832 – 1908) natürlich nicht fehlen: Ausdauer wird früher oder später belohnt – meistens aber später.

Nein, von Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799) ist in dieser Sammlung weiser Sprüche kein Exempel dabei, was mich doch sehr wundert. Deshalb setzte ich den Titel Leib und Seele – ein Pferd neben einen Ochsen gespannt, der aus Lichtenbergs Sudelbüchern stammt. Wer sich gerne, aber nur auf die Schnelle und dennoch voller Vergnügen mit diesem Philosophen, Satiriker, Naturforscher und Dichter auseinander setzen möchte, greife doch zu dem wunderschönen Buch: „Unsere Erde ist vielleicht ein Weibchen“, in welchem Robert Gernhardt 99 Sprüche aus Lichtenbergs Sudelbüchern mit 99 Cartoons illustriert.

Wer aber das Ganze geniessen will: Die Sudelbücher sind als Taschenbuch 2005 im Deutschen Taschenbuch Verlag München (dtv) erschienen. Sie schmökern darin vielleicht vor oder nach Giaccobo-Müller’s Pointen zur SVP und lesen in den Sudelbüchern: Sie schreiben aus Vaterlands-Liebe Zeug, worüber man unser liebes Vaterland auslacht.

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