Die Protestantische Ethik und der „Geist“ des Kapitalismus

Wir genossen ein paar Tage Genf und Umgebung, logierten in einem Hotel unmittelbar hinter dem Palais Wilson, in welchem ich in den Siebziger Jahren öfters im Secrétariat de la Conférence suisse des directeurs cantonaux de l’instruction publique (CDIP) gearbeitet hatte. Höhepunkte unseres Aufenthaltes waren erstens ein Besuch in der Fondation Bodmer, die mir unbekannt war, und in der ein Erstdruck der lateinischen Gutenbergbibel ausgestellt ist. « Nous sommes la suite de St Galle ; nous commençons au quinzième », disait la guide. Ich bewunderte die Erstausgabe von Don Quijote und die Lutherschen Thesen im Originaldruck. Natürlich darf die Handschrift Goethes nicht fehlen! Der zweite Höhepunkt war mir ein Spaziergang durch die Altstadt von Carouge, die in kürzester Zeit von italienischen Architekten erbaut worden war als königlich-katholische Konkurrenz zum republikanisch-reformierten Genf. Da kannte ich bislang nur die umliegende Industriewüste. Die Altstadt wirkt ähnlich harmonisch geschlossen wie etwa Noto oder Ragusa in Sizilien, die im 16. Jahrhundert nach einem Erdbeben auch in wenigen Jahren von Grund auf neu erbaut worden waren. – Und der dritte Höhepunkt, sozusagen das Highlight? Die weiblichen Promenierenden auf dem Quai Wilson in ihren High Heels verdrehten die Hälse: Ein röchelnd (Zwölfzylinder scheinen noch immer wahre Diven zu sein.) vorbei dröhnender, über und über mit Gold glänzender Lamborghini Countach.
Eine Villa am Ufer gegen Hermance sei letzthin für 200 Millionen verkauft worden, hörten wir. Die Pest, die Hexenverbrennungen und die Lockerung des Zinsverbots unter der Reformation erklärten Genfs Aufstieg zur Finanzkapitale; frische, hungrige Kräfte strömten ins entvölkerte Genf. Genf, zusammen mit Zürich eine der teuersten Städte der Welt – die Calvinstadt und die Zwinglistadt!
Ich denke an Max Weber und setze daher den Titel seines bekanntesten Buches über diese Zeilen.

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