Werbesprüche

Werbesprüche oder gar Werbefiguren begleiten mich durchs ganze Leben. Schon als Kind in den fünfziger Jahren begeisterten mich Knorrli und das Michelin-Männchen. Beide trifft man ja heute noch an.

Hans Tomamichel aus Bosco Gurin hat Knorrli erfunden. Knorrlis Geburtstag: 15. September 1948.

 

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Edouard und André Michelin beauftragten 1894 nach der Weltausstellung in Lyon einen Grafiker, die Werbefigur Bibendum, das Michelin-Männchen, in Analogie zu einem weiss eingepackten Pneustapel und einer Bayerischen Bierreklame zu entwerfen. Es war 40 Pneus stark und rauchte Zigarre. Später magerte es auf 26 Pneus ab und verzichtete aus political correctness aufs Rauchen. „Nunc est bibendum! À votre santé! Le pneu Michelin boit l’obstacle!“

Und welche Werbesprüche sind mir in Erinnerung geblieben?
Nei, nei, Sie
Nämed Sie de Quick vom Leisi

Gute Idee:
SBB

Der Kluge fährt im Zuge

Verstopft, unlustig?
Hinterfruttiger Heubeerisaft!
[Oh! Der ist nicht echt, er stammt von Ces Kaiser.]

Jede Hausfrau weiss,
wenn Fett und Öl, dann Sais.

Deux chevaux – toujours en tête [vgl. auf diesen Seiten : Deux chevaux – Augmented Technology]

Umberto Eco nahm die Medien in Schutz: Es stimme nicht, dass sie immer nur schlechte Nachrichten verbreiten würden. Die guten Nachrichten, das sei die Werbung: «Min Papi chan us Stei Silber mache!»
Weil Werbung meist zu viel verspricht, hat sie natürlich ein Glaubwürdigkeitsproblem. Zwei Zahnarztgehilfinnen werben für eine Salbe, welche empfindliche Zähne beruhigen soll, offenbar mit wenig Erfolg, denn Wochen später erklärt ein seriöser Wissenschaftler die Wirkung der Salbe. Ob man es ihm eher als den beiden Damen glaubt?

Schon immer kümmerte sich Werbung wenig um Grammatik oder sprachliche Korrektheit. Sehen Sie sich einmal Folgendes an: «Wir leben Autos». Was das heissen soll? Keine Ahnung! Hauptsache, es bleibt uns allen im Gedächtnis. Hoffentlich vergessen wir dabei nicht, für welche Autos dieser unmögliche Satz Werbung machen soll. – «Vita Parcours». Ich beglückwünschte den Direktor der Lebensversicherungsanstalt für seine Werbung in all unseren Wäldern. Aber er winkte ab: Niemand denkt dabei mehr an die Versicherungsgesellschaft Vita. Der Vita-Parcours ist ein Selbstläufer geworden.

Allerlei TV-Geflimmer

Da brüstet sich wieder einmal einer mit seinen mangelnden Kenntnissen in Mathematik. Stolz heftet er sich seine Note ans Revers: «Ich hatte immer nur eine Zwei, und auch die nur, weil ich bei der Nachbarin abschreiben konnte.» Das sagte ein strahlender Kurt Aeschbacher in seiner TV-Sendung am 22. Oktober 2017. Dahinter steckt keine Koketterie wie bei Einstein, von dem überliefert ist: «Do not worry about your difficulties in mathematics, I assure you that mine are greater.» Aeschbacher meinte es ernst, und er ist stolz auf seine Unfähigkeit.

So etwas geht wohl nur mit Mathematik. Niemand wird sich damit brüsten, dass er nicht seitwärts einparkieren oder dass er nicht lesen kann. Solche Defizite pflegt man möglichst zu verstecken.

In einer andern TV-Sendung (Glanz und Gloria) bat die Moderatorin junge Menschen, eine Rechenaufgabe in der Art von 11 + 5 x 3 zu lösen. Die meisten präsentierten Lösungen erwiesen sich als falsch. Immerhin ärgerten sich manche Junge über ihre Fehler und waren alles andere als stolz darauf.

In diesem Zusammenhang meint «Mathematik» übrigens meist «Rechnen», also das Einmaleins, vielleicht noch das Prozentrechnen, eben das, was man in der Volksschule lernt oder lernen sollte. Und mit der Rechenfertigkeit ist es ja ein bisschen wie beim seitwärts Einparkieren: Maschinen, Computer, nehmen uns diese Arbeiten ab und machen unser Lernen und Üben überflüssig. Sie kennen ja wohl den VW-Werbespot, in welchem ein Programm einen Kleinlastzug selbständig rückwärts einparkiert[1]! Mein Freund fährt einen Tesla, ein Elektroauto, dessen Hard- und Software nur darauf wartet, aufgestartet werden zu dürfen, damit es völlig autonom, quasi als Selbst-Auto fahren darf. Mit solchen Auto-Autos, muss man dann noch eine Fahrprüfung bestehen? [Die Marke Tesla übrigens erinnert an Nikolas Tesla (1856 – 1943). Sein Lebenswerk ist geprägt durch zahlreiche Neuerungen auf dem Gebiet der Elektrotechnik, insbesondere der elektrischen Energietechnik, wie die Entwicklung des heute als Zweiphasenwechselstrom bezeichneten Systems zur elektrischen Energieübertragung.]

Prüfen Sie jeweils auf Ihrer Einkaufstour die Kassenzettel blitzschnell nach, voller Stolz auf Ihre Fertigkeiten im Kopfrechnen? Oder meiden Sie Parkfelder, in die man seitlich einparkieren muss?

[1] Mein Korrekturprogramm insistiert: Es heisst einparken und nicht einparkieren! Ach was!!

Der langweilige neue globale Roman

Der in Italien lebende amerikanische Schriftsteller, Essayist, Literaturkritiker und Übersetzer Tim Parks hat 2014 ein Buch veröffentlicht mit dem Titel «Where I’m Reading From». Die deutsche Ausgabe erschien 2016 unter der sperrigen Überschrift «Worüber wir sprechen, wenn wir über Bücher sprechen». Darin findet sich der kurze Essay «Der langweilige neue globale Roman». Seine Hauptthese lautet: «Infolge der immer rasanteren Globalisierung bewegen wir uns auf einen Weltmarkt für Literatur zu. … immer mehr europäische, afrikanische, asiatische und südamerikanische Autoren sehen sich als gescheitert an, wenn sie kein internationales Publikum finden.» Immer mehr Autoren würden deshalb in ihren Texten alles aus dem Weg räumen, was verhindern könnte, dass sie international verstanden würden. Zeitgenössische Romane würden sich so immer mehr gleichen, sich kaum mehr unterscheiden und deshalb eben «langweilig» werden. Regionale kulturelle oder einfach auch sprachliche Eigenheiten würden vermieden.

Ich habe den Eindruck, dass das für die Schweiz nicht zutreffen könne und denke dabei an Autoren wie Michael Fehr, Tim Krohn oder Pedro Lenz. Sie suchen bestimmt kein internationales Publikum, treiben vielmehr die Zuwendung zu Kultur und Sprache der eigenen Region auf die Spitze.

Tim Krohn: Vrenelis Gärtli. Da schlage ich zufällig eine Seite auf (S. 89) und lese: «Als das Vreneli am Neujahrsmorgen erwachte und das Tal hinauf sah dem Tödi zu, hingen die Wolken nideldick zwischen den Bergen, und von den Bergen selber waren nur finstere Stümpfe zu sehen. Dazwischen lag der Schnee so dick und weich wie Katzenfell und stüübte unter jedem Lüftli, so dass der Vriinä war, als wäre sie in einer Schachtel, so war alles duster und heimelig in einem.» (Der Hexer und das Fralein Heer)

Michael Fehr: Simeliberg. Der Roman beginnt wie folgt:
Grau
nass
trüb
ein Schweizer Wetter
ziemlich ab vom Schuss
nur über einen pflotschigen Karrweg von oben herab zu erreichen
in einem Krachen ein wüstes
tristes Bauernhaus mit ungestümem Dach
ein zerklüfteter Haufen aus grauen und schwarzen Tupfen
unter dem ein Haufen blinder Fenster leer in die Öde starrt
in der wenig heiteren Stube hocket der Landmann mit dem Rücken zur
Fensterzeile
nach der drückenden Stille
mit der das Gebälk lastet und den Raum niedrig hält
der einzige Mann und Mensch im Haus
draussen motort es schwankend von oben herab zum Haus heran

Pedro Lenz:
«Wo der Martin chürzlech
der Sack mit den aute Chleider
i d Sammustöu heig wöue bringe,
heig er dä Sack im letschte Momänt
no einisch ufgmacht.»
(Der aut Mantu. Aus «Liebesgschichte»)

Pedro Lenz schrieb den Mundartroman «Di schöni Fanny», der nun in hochdeutscher Übersetzung erschienen ist: Die schöne Fanny.

Solche Texte sind also nichts für ein internationales Publikum. Das scheint die Autoren aber nicht zu kümmern, obwohl klar ist, dass ihre Auflagen in der kleinen Deutschschweiz sehr klein sein würden und es daher schwierig sein wird, überhaupt Verleger zu finden, die sich solchen Texten annehmen können oder wollen.

Zora del Buono legt in ihrer Novelle «Gotthard» trotz des Titels, der die Handlung ja geografisch sehr präzise der Grenze zwischen deutscher und italienischer Schweiz zuweist, einen Text vor, der durchaus global tauglich erscheint. Kein Wunder, sie lebt ja auch in Berlin, siedelt eine Hauptfigur der Novelle in Berlin an und publiziert bei Beck in München. «Gotthard» arbeitet zudem mit einer Hintergrundfolie voller Bilder und Mythen aus der Antike: Der Tunnel als griechische Unterwelt quasi, der talauf- und talab flitzende Motorradfahrer als Odysseus und Dora Polli-Müller als Penelope.

Der einzige Schweizer Schriftsteller, den Parks erwähnt, ist Peter Stamm, den der Amerikaner sehr lobt. Im Wikipedia-Artikel zu Peter Stamm lese ich: «er [verkaufte] im Unterschied zu den meisten Schweizer Autoren seine Bücher fünfmal häufiger in Deutschland als in der Schweiz. Daniel Arnet erklärte dies mit einer „helvetismenfreien Sprache“ und „Inhalten, die geranientröglifrei sind“ und in ihrer Universalität „nicht eidgenössisch codiert“». Dies bestätigt damit Parks These!

Für uns Leser aber präsentiert sich die Schweizer Literatur als abwechslungsreich, erfindungsreich, erfreulich glarnerisch oder bernisch, auch wenn da niemals ein Literaturnobelpreis winken wird. Mein Blick schweift über mein Bücherregal und findet von Juli Zeh «Unterleuten» und von Eugen Ruge «In Zeiten des abnehmenden Lichts», beides «neue» deutsche Romane mit deutlich regionalem Kolorit, einer sehr eigenen Sprache und alles andere als langweilig.

Allzu überzeugend und umfassend zutreffend scheint mir deshalb Parks These vom langweiligen neuen globalen Roman nicht zu sein. Er wettert übrigens in anderen Essays seines Buches auch sehr pointiert gegen internationale Literaturpreise und gegen die Angewohnheit vieler Übersetzer, die wenigen verbliebenen regionalen Eigenheiten eines Textes abzuschleifen – im Interesse einer globalisierten Leserschaft.

Alle hier erwähnten Romane und Lenz‘ Gedichtband sind sehr lesenswert:

Tim Parks. Worüber wir sprechen, wenn wir über Bücher sprechen. Verlag Antje Kunstmann. München 2016

Michael Fehr. Simeliberg. Verlag Der gesunde Menschenverstand. Luzern. 2015

Tim Krohn. Vrenelis Gärtli. Eichborn. Frankfurt am Main. 2007

Zora del Buono. Gotthard. C.H.Beck. München. 2015

Pedro Lenz. Liebesgschichte. Cosmos Verlag.Muri bei Bern. 2012

Eugen Ruge. In Zeiten es abnehmenden Lichts. Rowohlt. Reinbek bei Hamburg. 2011

Juli Zeh. UNTERLEUTEN. Luchterhand. München. 2016

Deux chevaux – Augmented Technology ?

Erinnern Sie sich noch an jene grossartige Reklame? «Deux chevaux – toujours en tête!»

Da war Frankreich für mich Alemannen noch La France, la grande nation. Da konnte Monsieur Jean Cavadini de Neuchâtel bei einem Essen nach einer Sitzung des Commité de l’éducation à l’OCDE noch ausrufen : « C’est quand même difficile de manger mal à Paris !» Da sass ich in einer internationalen Mathematikkommission mit dem faszinierenden Titel « Commission internationale pour l’étude et l’amélioration de l’enseignement des mathématiques – CIĖAEM». Da sprachen die meisten Teilnehmer an Sitzungen des Europarates noch Französisch, nur selten hörte ich Englisch. Es referierte damals ein kleiner Professor aus Belgien unter der Überschrift «L’école et le rythme de la vie des enfants». Genützt hat das Referat allerdings nichts. Die Kinder müssen noch heute immer viel zu früh aufstehen, was, wie der Professor bewies, die Lernerfolge behindert. Jahre später redeten in internationalen Kongressen und Komitees fast alle Englisch und fast niemand mehr Französisch. Selbst der Pariser Pierre Laderrière radebrechte in Englisch, sodass ihn niemand mehr verstand. In der CIEAEM fragte ein polnischer Mathematiker pathetisch: «Où allons-nous en mathématique? Quels concepts vont dominer l’enseignement des mathématiques ? Les algorithmes ou les ensembles ? Nous ne le savons pas !» Da stand Easy Weinzweig, der Mathematikdidaktiker aus Chicago auf und rief: «You don’t know? Ask me! I know!» Der französisch Sprechende zweifelte und fragte, der englisch sprechende Amerikaner wusste und war sich seines Wissens sicher.

Sehen Sie sich heutige Autoreklamen französischer Marken an: Citroën lässt sein neustes Modell zu englischen Popsongklängen in einer amerikanischen Stadt herumfahren und nicht auf den Champs Elysées, und keine Musette begleitet das rassige Auto. Und Peugeot lädt zu „OPEN DAYS“, nicht etwa zu „PORTES OUVERTES“, und wirbt mit dem Ausdruck «AUGMENTED TECHNOLOGY».

Etwas gelangweilt werden Sie sich sagen: Aber das alles ist doch nichts Neues! Schliesslich isst alle Welt Big Macs und Burger Kings und nicht escargots und cuisses de grenouilles. Die Pommes frites heissen ja nicht von ungefähr auf der halben Welt French fries.


Aber doch nicht: Ein Peugeot mit augmented technology? Ich bitte Sie!

Yogi Bär und New Orleans Jazz

Irgendwo lese ich, dass dieses Jahr die Open Airs in der Schweiz dem Unwetter zum Opfer fallen würden. Wir aber geniessen zwei Open Airs bei hübschesten Bedingungen.

Am letzten Feriensamstag findet jeweils traditionsgemäss das sommerliche Eschbergfest statt. Kräftige, engagierte Männer bauen Zelte und Festbänke auf – alle Autos sind von den Parkplätzen vertrieben. Eine unserer vielen jungen Mütter in der Siedlung zeichnet, malt und bastelt mit den Kindern den ganzen Nachmittag, und gegen Abend wird eine süsse, schöne Bowle serviert. Man bringt einen Grill – eine wahre Gourmetküche! – und ab sieben Uhr darf man seine fleischlichen oder vegetarischen Köstlichkeiten dem Grilleur überantworten. Nun findet auch unter viel Applaus die Siegerehrung für die Kinder statt. Die Kleinste hat noch Mühe, das Siegespodest zu erklettern. Während und nach dem Essen werden auf die weisse Garagenauffahrtswand Filme projiziert, Yogi Bär, etc., während ältere Jugendliche kichernd davon berichten, dass sie gestern Fifty Shades of Grey genossen hätten. Daran schliesst sich eine engagierte Diskussion über Erziehung und Aufklärung an. Und es wird kühler und kälter, aber es bleibt trocken, keine Unwetter weit und breit. Und anderntags wird aufgeräumt: Uns bleibt, allen engagierten Organisatoren und Helfern ein ganz herzliches Dankeschön auszusprechen. Das ist doch jährlich eine sehr angenehme Gelegenheit, mit den jungen und älteren Bewohnern der Siedlung ins Gespräch zu kommen, auch wenn nicht immer alle Partien dabei sein können oder wollen. [Falls jemand fotografiert hat und mir einige Bilder zukommen lassen möchte, könnte ich sie auf die Homepage aufschalten.]

Wir aus dem Haus 14 kennen noch eine Tradition: Am letzten Sonntag der Sommerferien findet das Open «Jazz at the Ritterhaus» statt, das wir jedes Jahr besuchen. Gespielt wird alter Jazz: meist New Orleans oder Dixieland. Wir sitzen unter hohen Bäumen im Hof der alten Johanniter Kommende, geniessen die Gespräche unter Freunden, einen kühlen roten Wein, Grilliertes und Salate und natürlich vor allem die Musik. Dieses Jahr spielt die Bogalusa New Orleans Jazzband. Die sieben Musiker feiern ihr dreissigjähriges Jubiläum, doch ihre Musik wirkt nicht routiniert, vielmehr lustvoll interpretiert. Die Melodien werden in den Solos grandios und einfallsreich variiert. Es spielen ein Trompeter, ein Posaunist, ein Klarinettist und Saxophonspieler, natürlich ein Schlagzeuger, ein Mann am Bass und einer am Banjo. Oh: Und vor allem ein grossartiger Pianist, dessen rasch huschende linke Hand mich an meine frühe Klavierzeit erinnert, wie ich damals tagelang und mühevoll den Black and white Rag eingeübt hatte. „Bogalusa“, sagt die Homepage der Band, „wurde bekannt durch Sam Morgan mit seiner berühmten Sam Morgan New Orleans Jazzband. Im Jahre 1927 nahm er in New Orleans im Werlein’s Musicstore an der Canal Street das Stück ‚Bogalusa Strut‘ auf“. Die Homepage von Bogalusa, einer Kleinstadt in Louisiana hingegen, listet unter den Notable residents vor allem Sportler auf, zum Beispiel „Kenderick Allen, former NFL defensive lineman oder Perry Brooks (1954–2010), football defensive tackle, Washington Redskins“ (1977–1984), Super Bowl Champion“. Nur gerade zwei Musiker sind erwähnt: „James Crutchfield (1912–2001), barrelhouse blues piano player; raised in Bogalusa, und Professor Longhair (1918-1980), funky pianist who inspired artists such as Dr. John; several of his songs are Mardi Gras anthems“. (Mardi Gras ist in den USA „Synonym für alle Faschingsfeste zwischen dem 11. November und Aschermittwoch sowie für die Faschingszeit an sich, auch Mardi Gras Season genannt. Im Speziellen werden mit dem Begriff heute vor allem die Feierlichkeiten in New Orleans und Mobile (Alabama) verbunden.“) [Quelle: Wikipedia]

Wie dem auch sei: Uns haben die sieben Musiker der Bogalusa New Orleans Jazzband sehr gefallen! Und wie eingangs erwähnt: Auch diesmal hielt das Wetter, die Sonne schien bis zum Untergang, die Schwalben flogen und fütterten, und die Grilladen waren durchaus geniessbar.

Sommertag

 

Früh am Morgen dröhnen die Gärtnerinnen ganz gewaltig mit der Giftspritze

Dreissig Grad, blauer Himmel voller Kondensstreifen

Bienen an den Sonnenblumen, Wespen am mannshohen Liebstöckel

Ein Zitronenfalter, ein Schwalbenschwanz, ein Admiral

(nicht schummeln: der Admiral war gestern)

Und natürlich viele Kohlweisslinge und

Rotmilane, Mäusebussarde und Mauersegler

Der benachbarte Bauer mäht mit riesigem Traktor die umliegenden Wiesen

Stundenlang

Ein Gehilfe bläst das Gras zusammen

Schon kommt der erste Abendjet

Tabakhändler und Regierungsrätin

Mein Freund Walo Hutmacher (Ütmasché) von der Uni Genf präsentierte einmal Zahlen darüber, wie hoch der Anteil arbeitender Menschen im Sektor «people processing» Ende der achtziger Jahre in den Ländern der OECD sei. Gemeint sind damit Lehrer, Pfarrer, Ärzte, Therapeuten, Pflegepersonal, Sporttrainer, Richter, Gefängnispersonal – falls ich da nicht jemanden vergessen habe; vielleicht die Offiziere? Der Prozentsatz war enorm, weit über 50%! [Leider habe ich sein Referat beim Datentransfer auf einen neuen Computer verloren: Schande über mich!]

In jener Zeit waren die entsprechenden Fachleute, die mich persönlich umgaben, sämtliche männlichen Geschlechts: Mein Arzt, mein Zahnarzt, mein Regierungsrat, mein Chef, mein Tabakhändler. Den Tabakhändler gibt es nicht mehr, weil es erstens fast keine Tabaklädeli mehr gibt, und weil ich seit einigen Jahren meine Pfeifen beiseite gelegt habe. Ist Ihnen in letzter Zeit ein pfeifenrauchender Mann begegnet? Der ältere Herr war mir eine wichtige Figur, bedeutsam für mein Wohlbefinden. Aus dem Tabaklädeli wurde eine Geschenk- und Modeboutique, die sich dank begeisterter, weiblicher Kundschaft im Dorf auszubreiten begann, bis sie Pleite machte, pardon: Konkurs ging.

Ausser dem Tabakhändler haben alle andern ihr Geschlecht gewandelt. Meine Ärztin aus Rumänien ersetzte schon bald meinen Hausarzt. Sie gibt nun nach Jahren ihre Praxis leider auf. Ich habe mich bei ihr sehr gut aufgehoben gefühlt, und einmal hat sie mir wohl das Leben gerettet. Der Zahnarzt ging frühzeitig in Pension und überliess mich seiner Tochter, die meine Zähne seither sehr gut und schmerzfrei pflegt. Oh, beinahe hätte ich meine Augenärztin vergessen. Wenn sie jeweils sehr energisch sagt, nachdem sie Flüssigkeit in meine Augen getropft hat, „Sie dürfen jetzt blinzeln“, meint sie wohl „Sie müssen jetzt blinzeln“. Der Regierungsrat wurde durch eine Regierungsrätin ersetzt, die Legislaturen später wieder von einer Frau abgelöst wurde. Ich sprach sie einmal als «Frau Regierungsrat» an, worauf sie mich anschnauzte: «Rätin, bitte sehr!» Ich insistierte, «Regierungsrat» sei ein Amt mit grammatikalisch sächlichem Geschlecht. «Blödsinn», fuhr sie mich an. Auch der Chef fand eine Nachfolgerin im Amt, deren Namen sich mir noch nicht eingeprägt hat. Ich denke an sie als Frau Amtschefin.

Zurück zu Walo Hutmacher, dem berühmten Soziologen aus Genf. Heutzutage dürften noch wesentlich mehr Menschen im «people processing» ihr Geld verdienen als in den achtziger Jahren. Mehr Lehrer, mehr Ärzte, mehr Coiffeurs, mehr Podologen, Therapeuten, etc. Pardon: das Ganze nochmals: Mehr Lehrerinnen – oder kennen Sie noch Unterstufenlehrer? Mehr Ärztinnen, mehr Stylistinnen, Podologinnen und Therapeutinnen, usw. Nur bei den Chefärzten und den CEOs scheint es ein bisschen anders zu sein. Aber auch dazu könnte Hutmacher viel berichten.

Ich bin übrigens ein bisschen auf den OECD-Wellen gesurft, habe aber über den Prozentsatz von Arbeitenden, die mit „people processing“ beschäftigt sind, nichts gefunden. Dafür Folgendes: „Nach Schätzungen haben in den OECD-Ländern 80% der Menschen mit tertiärem Bildungsabschluss (Hochschulabschluss, Fachhochschulabschluss oder Meisterbrief) eine bezahlte Arbeit, bei den Personen ohne Abschluss im Sekundarbereich II sind es hingegen lediglich 47%.“ Na? Tröstlich oder beängstigend?

Miteigentümerversammlung die elfte

Wie letztes Jahr waren auch an diesem 15. Juni wiederum vierzehn Partien anwesend, unter anderen auch die neue Besitzerin des Hauses, das längere Zeit leer gestanden hatte– andere liessen sich vertreten – und wie letztes Jahr gab es Applaus. Applaus für die beiden Siedlungsabwarte.

Zu diskutieren gab einmal mehr der Spielplatz. Fast wurde eine Spielplatzkommission gewählt. Doch gelang es, den Ausschuss zu beauftragen, einen neuen Belegungsplan auszuarbeiten. Es soll ein steinerner Tischtennistisch gekauft und aufgestellt werden. Auf den Ersatz des Sandes wird dafür vorläufig verzichtet. Der Ausschuss trifft sich bereits nächste Woche, denn noch in diesem Sommer sollen die Bälle fliegen.

Das Budget muss ein bisschen aufgestockt werden, denn die Abgassensoren in der Garage haben den Dienst aufgegeben. Und die Wege von Haus zu Haus leiden da und dort auch bereits unter Alterserscheinungen.

Ein Missverständnis zwischen Miteigentümern und der Verwaltung musste geklärt werden: Wir wollen ein separates Erneuerungsfondskonto mit Doppelunterschrift und nicht eines, wie die Verwaltung es eingerichtet hat, mit Einzelunterschrift.

Rechnung und Budget wurden genehmigt, die Verwaltung entlastet, und in den Wahlen wurden alle Chargen bestätigt.

Das Sommerfest wird am 19. August stattfinden, organisiert durch Furrers, und die zwölfte Miteigentümerversammlung ist auf den 14. Juni 2018 angesetzt.

Nach einstündigen Verhandlungen wurde die Versammlung geschlossen.

Vive la démocratie

294 Nein gegen 289 Ja: Die Initiative zur Einführung von Tempo-30-Zonen in Dürnten wurde an der Gemeindeversammlung vom 8. Juni abgelehnt. Ein Antrag auf Urnenabstimmung erhielt das nötige Quorum, sodass die Angelegenheit noch nicht entschieden ist.

Die Initianten begründeten ihr Begehren erstaunlich differenziert und professionell. Der Gemeinderat hatte einen Gegenvorschlag unterbreitet, der die von der VZO benutzten Strassen von den Zonen ausschloss, offenbar auf Intervention der Leitung der VZO, die um die Einhaltung des Busfahrplans besorgt ist. Im Plädoyer für den Gegenvorschlag wirkte der Gemeinderat erstaunlich unsicher, etwas verfahren und leicht unprofessionell.

Obschon die Initianten belegen konnten, dass für die Einhaltung des Fahrplans keine Gefahr drohe und obwohl zwei Buschauffeure engagiert für Tempo 30 in Dürnten plädierten, ergab sich also das Nein.

Ich gewann an diesem Abend den Eindruck, dass solcherart gelebte Demokratie schon ihre Grenzen hat: Wer unterliegt, verlangt eine Urnenabstimmung – wie übrigens kürzlich auch schon bei einem Umzonungsversuch im Riet. Die Milizbehörde ist trotz der professionellen Gemeindeverwaltung in derart komplexen Fragen – und übrigens auch bei schwierigen Abstimmungen – leicht überfordert.

Daher erstaunte mich das letzte Traktandum des Abends: Revision der Gemeindeordnung – eine Vorabklärung. Der Vorschlag sah vor, die Kompetenzen der Gemeindeversammlung einzuschränken, was mir persönlich angesichts des abendlichen Verlaufs durchaus plausibel erschien. Doch ein Jurist stellte fünf Anträge, unter anderem einen, solche Einschränkungen nicht zuzulassen, sie würden uns Bürgern jede Möglichkeit zur Mitdiskussion nehmen – und erntete Applaus und Zustimmung. Der Gemeindepräsident dankte dem Herrn Professor für sein Eintreten!

Es blieb im Übrigen bis zum Ende der Versammlung unklar, worüber im Herbst an der Urne in Sachen Tempo 30 dann abgestimmt werden soll.

Und doch und trotz allem: Da versammelten sich 598 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, diskutierten und entschieden von acht Uhr abends bis kurz vor Mitternacht, und alle blieben höflich und anständig, Autofans und Velofreaks, jene, die vor Sorge um ihre Kinder dafür votierten und die andern, die von Langsamkeit nun gar nichts halten und daher dagegen eintraten.

Vive la démocratie – vive la République – vive Dürnten!

Von Adlerschwingen

Demnächst feiern wir den fünfzigsten Hochzeitstag. Der Herr Pfarrer ruft uns an und bittet um einen Termin. Er möchte uns zu unserem Jubiläum gratulieren. Ich öffne die Bibel, die wir seinerzeit – also vor fünfzig Jahren – von der Kirche erhalten haben und hoffe, darin den uns gewidmeten Hochzeitsspruch zu finden. Er ist in der Tat vermerkt. Sprüche 18/22: „Wer ein Weib gefunden, der hat etwas Gutes gefunden und Wohlgefallen beim Herrn erlangt.“ Das hatte ich natürlich nicht mehr im Gedächtnis. Ich schlage die Neue Zürcher Bibel auf und lese: „Wer eine Frau gefunden hat, der hat das Glück gefunden und Wohlgefallen erlangt beim Herrn.“ Das sei doch schon sehr viel schöner und sehr zeitgemäss, sage ich im Gespräch mit dem Pfarrer. Doch der winkt ab. Der Spruch passe auch so ganz und gar nicht in unsere Zeit. Anstatt „Weib“ oder „Frau“ müsste es doch „Partnerin und Partner“ heissen, wir lebten doch nicht mehr in patriarchalischen Zeiten und zudem gäbe es ja nicht nur Heteropaare! Tatsächlich! Aber ob die Zeiten, in denen der Mann seine Frau suchte und fand und Familienoberhaupt war, wirklich so ganz überwunden sind?

Unser Gesprächsgast bringt nebst dem jahreszeitlich passenden Osterglockenstrauss auch einen Bibelspruch mit. Jesaja 40/31: „Die auf den Herrn hoffen, empfangen neue Kraft, wie Adler wachsen ihnen Schwingen, sie laufen und werden nicht müde, sie gehen und ermatten nicht.“ Das Bild vom Adler fände er ungemein passend für ein Paar, das fünfzig Jahre gemeinsam zurück gelegt hätte. Nun, beim Laufen und Gehen werden wir halt doch viel rascher müde als auch schon. Es fehlen uns wohl der richtige Glaube und damit die Adlerschwingen.

Ich stelle wieder einmal fest, dass das Alte Testament die Sprüche und das Hohelied in grosser Nähe zu einander präsentiert, blättere also im Lied der Lieder Salomos und lese:
„Denn stark wie der Tod ist die Liebe

Gewaltige Wasser können
Die Liebe nicht löschen,
und Ströme schwemmen sie nicht fort.“