Der Kolkrabe und der Papagei

Im Areal des Mühleramas in Tiefenbrunnen lädt nun ein Café Kornsilo zum Geniessen ein, wo früher Mme Carouge ihre schwarzen, trendigen Kleider verkauft hat – Mme Carouge, „der Kolkrabe“, wie ich einmal gelesen habe (NZZ vom 17.10.15). In der Matinee in Miller’s Studio sass dann La Lupa direkt vor mir, „der Papagei“, überaus farbig gekleidet wie immer und mit einem Käppchen auf dem orangefarbenen Haar, das Hardy Hepp wohl sehr gefallen hätte. Christa de Carouge hingegen war an diesem Sonntag nicht in Miller’s Studio. Wohl aber machte eine Amsel ihre Aufwartung – nämlich als Hauptfigur in Italo Calvinos Erzählung „Das Pfeifen der Amsel“ in dessen spätem Werk „Herr Palomar“. Mona Petri las diesen schönen, sehr präzisen Text in perfekter Diktion. „literatur und musik“ nennt sich die Reihe sonntäglicher Matineen, organisiert von der Tonhalle Zürich und dem Literaturhaus Zürich. Diesmal erklang zur Begleitung der Texte von Italo Calvino Musik von Luciano Berio, „Sequenza I“ beispielsweise für Flöte. Daniel Fueter lieferte blitzgescheite, wohl formulierte Einführungen zu Calvino und Berio und zur Wahlverwandtschaft von Berios Musik und Calvinos Literatur. Wahlverwandtschaften, so lautete früher der Titel dieser Matineen, die grossartige Verwandtschaften nachwies: Arthur Schnitzler und Gustav Mahler, Thomas Mann und Richard Strauss, William T. Vollmann und Dmitri Schostakovitsch oder dann Franz Schubert und Elfriede Jelinek.

Calvino untersucht sehr differenziert den Gesang der Amsel; er fragt sich, ob zwei Amseln einen Dialog führen oder einfach nur so vor sich her singen würden, ob die Bedeutung ihres Gesanges in den Tönen oder in den Pausen läge, ob es vielleicht für uns Menschen gescheiter wäre zu pfeifen anstatt zu reden – wirklich verstehen würden wir uns ja sowieso nie. Mir erging es mit Fueters Ausführungen ziemlich ähnlich: Habe ich sie wirklich verstanden? Wieso denn kann ich sie jetzt kaum mehr rekonstruieren? Könnte ich ein Amsellied singen? Oder Passagen aus einer der Sequenzen Berios? Nebst der Flöte hörten wir, jeweils immer solo, eine Harfe, eine Klarinette und ein Cello. Keine noch so kurze Sequenz aus einer dieser „Sequenze“ ist mir im Gedächtnis haften geblieben. Eine für mich sehr schwierige Musik! Aber das macht für mich den grössten Reiz dieser Matineen aus: Ich lerne Texte kennen und höre Musik, der ich mich sonst nie aussetzen würde – grossartige Sonntagvormittage, auch wenn ich das Dargebotene oft als schwierig empfinde.

Am frühen Nachmittag nach der Vorstellung gaben die Wolken grosse Stücke Himmels frei, und man sah die blasse Mondscheibe. Es war, als würde der Himmel Calvinos letzten vorgetragenen Text „Der Mond am Nachmittag“ illustrieren wollen.

Die Poesie der exakten Wissenschaften

In einer emaillierten Diskussion unter Freunden schrieb ich einmal: „Ich finde, Mathematiker und theoretische Physiker sind nebst Amseln an einem schönen Frühsommerabend die poetischsten lebenden Märchenerzähler.“ Man lese nur einmal einige Seiten von Stephen Hawking, auf denen er von Schwarzen Löchern oder Wurmlöchern berichtet und erfreue sich an Sätzen wie: „Ein Astronaut, der in ein schwarzes Loch fällt, wird irgendwann in Form von Teilchen und Strahlung, die das Schwarze Loch beim Verdunsten emittiert, recycelt.“ Oder aber, diesmal nicht von Hawking: „… this theorem states that a solid of any size, say of a small pea, can be partitioned into a finite number of pieces and then reassembled to form another solid of any specified shape and volume, say that of the sun. Consequently, this paradoxical theorem of Stefan Banach and Alfred Tarski is sometimes referred to as ‘the pea and the sun paradox’. (Leonard M. Wapner: The Pea and the Sun. Seite xii. A K Peters Ltd. Wellesley, MA. 2005) – Siehe auch meinen Beitrag vom Oktober 2010. Weshalb fällt mir das jetzt wieder ein? Unlängst las ich in einem NZZ-Folio einen Satz, bei dem ich dachte, da formuliert wieder einmal ein Mathematiker, nämlich Nick Bostrom von der Oxford University, einen modernen Mythos: “Wenn es gelingt, die Künstliche Intelligenz zu zähmen, werden unsere Nachfahren dem Untergang unseres Planeten ungerührt aus den fernen Galaxien zuschauen, die sie bis dahin erobert haben werden.“

Nun stosse ich in einem Aufsatz von Hans Magnus Enzensberger aus dem Jahr 2002 mit dem Titel „Die Poesie der Wissenschaft“ auf ganz ähnliche Feststellungen. Darin zitiert er Karl Weierstrass (1815 – 1897): „Ein Mathematiker, der nicht zugleich ein Stück von einem Poeten ist, [wird] niemals ein vollkommener Mathematiker sein.“ Gegen Ende seines Aufsatzes schreibt Enzensberger:

Man kann „die Behauptung riskieren, dass die avancierteste Wissenschaft zur zeitgenössischen Form des Mythos geworden ist. Gleichsam hinter dem Rücken ihrer eigenen Ideologie kehren in ihren Konzeptionen, von den meisten Forschern unbemerkt, alle Ursprungsfragen, Träume und Alpträume der Menschheit in neuer Gestalt wieder. Ihre Metaphern sind nur der sprachliche Ausdruck dieser Mythenproduktion. … Unsichtbar wie ein Isotop, das der Diagnose und der Zeitmessung dient, unauffällig, doch kaum verzichtbar wie ein Spurenelement, ist die Poesie auch dort am Werk, wo niemand sie vermutet.“

Enzensbergers Aufsatz findet sich in der Sammlung „Über Literatur“. Suhrkamp Quarto 2009.

Neben „Über Literatur“, diesem gewaltigen Papierberg von fast tausend Seiten, steht ein schmales Bändchen von Enzensberger in meinem Regal: „Die grosse Wanderung“ aus dem Jahr 1992. Dies ist nach meiner Ansicht noch immer die stimmigste und überzeugendste Analyse des aktuellen Dramas, dem wir den Titel „Flüchtlingsströme“ geben. Enzensbergers Hauptthese lautet: Sesshaftigkeit ist die Ausnahme, Bewegung, Wanderung, Turbulenz die Regel: „Der normale Zustand der Atmosphäre ist die Turbulenz. Das gleiche gilt für die Besiedlung der Erde durch den Menschen.“ Bloss sechzig Seiten weiter bereits die Schlussfolgerung: „Je heftiger sich eine Zivilisation gegen eine äussere Bedrohung zur Wehr setzt, je mehr sie sich einmauert, desto weniger hat sie am Ende zu verteidigen. Was aber die Barbaren angeht, so brauchen wir sie nicht vor den Toren zu erwarten. Sie sind immer schon da.“ Enzensbergers Grosse Wanderung empfehle ich unbedingt zur Lektüre.

Von Uhren und Wanderern

Jene ganz alten Zeiten, in denen die Menschen ihr Leben noch nicht nach der Uhr am Arm richteten, sondern nach dem Sonnenstand oder der Kirchturmglocke, jene Zeiten sind längst vorbei. Exotisch wirkt auf uns heute auch die Szene, die ich, so glaube ich, einmal in einem Roman von B. Traven gelesen habe, vielleicht in Der Schatz der Sierra Madre. Sie ist aber wohl ganz allgemein bekannt: Ein Weisser fragt einen Indianer (Traven schrieb halt noch political uncorrect) nach dem Weg und wie lange er wohl noch gehen müsste, bis er am Ziel sei. Der Indianer gab Auskunft, meinte aber, er wisse natürlich nicht, wann der Fremde dort ankommen werde. Also marschierte der Weisse nur halb zufrieden los und hörte dann den Indianer hinter sich herrufen: „Sie brauchen noch drei Stunden bis Buffalo.“ Er habe halt zuerst sehen müssen, wie schnell der andere laufe!

Heute geht ja die Klage, dass alles unnatürlich schnell verlaufe, viel zu schnell; man müsse von da nach dort hetzen, im Auto, im Flugzeug, im Büro, beim Joggen. Nur, so klagen andere, nur die Computer seien halt immer noch zu langsam.

Und das Gehetze sei ja nur möglich, weil uns allenthalben Uhren an den viel zu raschen Flug der Zeit mahnen würden, Uhren am Arm, am Kühlschrank, am TV-Gerät; Uhren am iPhone oder Smartphone; Uhren am Kirchturm mit ihren viel zu frühen, noch nächtlichen, viel zu lauten Glockenschlägen.

Aber immer wieder versuchen Menschen, aus dieser alltäglichen Raserei und Hetzerei auszubrechen. Slow down ist ihr Motto und Slow Food ihre Nahrung. So gibt es denn als Gegenwehr gegen die permanente Verfügbarkeit und die andauernde, pausenlose Kommunikation mit der halben Welt per Handy, Facebook und Internet neben dem iPhone auch einen iStone: eine perfekte Kopie des iPhone oder Smartphone aus Granit, the smARTphone von Horst Bohnet für noch nicht einmal hundert Franken: Du bleibst garantiert offline und hast Zeit für Deine Gesprächspartner und Gäste, kein Klingelton stört, keine Uhr schwatzt Dir drein.

Und dann sitzt da bei Aeschbacher im Fernsehen ein Uhrmacher, baut seine Uhren alle von Anfang bis Ende von Hand, jede Uhr ein Unikat, in jeder steckt Arbeit von fast einem halben Jahr. Ein Modell trägt einen schwarzen Spiegel, sodass niemand die Zeit ablesen kann; als Besitzer geniesst Du zeitlos die Gegenwart. Das kostet allerdings mehr als hunderttausend Franken! Also begnüge ich mich mit dem iStone!

Auch am Fernsehen wird die Gegenwelt zu den hyperaktiven, kompetitiven Joggern zelebriert: Nick Hartmann wandert gemütlich über Stock und Stein und hat Zeit, mit den Menschen zu reden. Gäbe es heute noch am Wegrand sitzende Indianer, sie würden ihm fröhlich zuwinken.

Nein, das ist kein Lob der guten alten Zeit. Es ist bloss der Hinweis darauf, dass es sich wohl lohnt, nicht immer und überall und sofort und auf Knopfdruck …

Platon im Striptease-Lokal

Auf meinem Schreibtisch liegen noch ungelesen zwei Bücher von Umberto Eco, die „Nullnummer“ und „Bücher sprechen über Bücher“. Nun ist mir Umberto Eco unter der Lektüre weggestorben. Wie genoss ich seine Kolumnen – allerdings mangels Italienischkenntnissen auf Deutsch – etwa „Derrick oder die Leidenschaft für das Mittelmass“. Darin gefiel mir bei der ersten Lektüre vor Jahren vor allem die Glosse „Ein neuer Heiliger Krieg: Mac gegen DOS“. Jetzt, auf die Nachricht seines Todes hin, lese ich nochmals den letzten Text dieser Sammlung: „Wie man sich heiter auf den Tod vorbereiten kann“. (Ich verrate hier Ecos Rat nicht, lade vielmehr ein, selbst nachzulesen. Kolumnen sind ja kleine, dichte, glänzende Kunststücke, die man nicht nach erzählen kann. Oder versuchen Sie das einmal mit einer Kolumne von Peter Bichsel oder von Pedro Lenz!) Ob Umberto Eco es geschafft hat, heiter zu sterben? Er war ein gewaltiger Leser. Alle Welt weiss ja, dass seine Privatbibliothek etwa fünfzigtausend Bücher enthielt. (In meinen Regalen stehen gerade einmal tausend!) Ich zitiere aus „Im Wald der Fiktionen“: „In jedem Fall werden wir nicht darauf verzichten, literarische Fiktionen zu lesen, denn sie sind es, in denen wir nach einer Formel suchen, die unserem Leben einen Sinn gibt.“ Eco hat mir wie vielen Zeitgenossen das Mittelalter näher gebracht. „Der Name der Rose“ und „Baudolino“ sind mir unvergessliche Lektüre-Erlebnisse. Baudolino, dieser grossartige (Lügen-)Geschichtenerzähler „stieg mit einiger Mühe auf sein Pferd, das hochbeladene Maultier am Zügel und das Schwert am Sattel, und ritt los … unbeirrt unterwegs zum Reich des Priesters Johannes.“

Mein anderer Gewährsmann für das Mittelalter ist bereits letztes Jahr verstorben, Dieter Kühn. Seine Einführung in den Parzival des Wolfram von Eschenbach oder sein Werk über Oswald von Wolkenstein lassen die Welt des Mittelalters, der Ritter, Raubritter, Liedersänger, der Bauern, diese Welt ohne Motoren, voller unvorstellbar lautem Vogelgesang, diese christlich geprägte, auf das Jenseits hoffende, zumeist armselige und schmutzige Zeit auferstehen. Dieter Kühn übersetzte die Werke des Wolfram von Eschenbach (Parzival), des Neidhart aus dem Reuental, des Gottfried von Strassburg (Tristan und Isolde) und Lieder von Oswald von Wolkenstein in heutiges Deutsch – eine epochale Leistung! Ich zitiere aus „Ich. Wolkenstein“:
„Nach Preussen, Litauen. Zur Krim; Türkei; ins Heilge Land;
nach Frankreich, Lombardei und Spanien. Mit zwei Königsheeren
(ich zog umher im Liebesdienst, doch zahlte selbst!)
mit Ruprecht, Sigmund: beide mit dem Adlerzeichen.
Französisch und arabisch, spanisch, katalanisch, deutsch,
lateinisch, slawisch, italienisch, russisch und ladinisch –
zehn Sprachen habe ich benutzt, wenn’s nötig war.
Auch konnt ich fiedeln, flöten, trommeln und trompeten.“

Keiner schreibt mehr, weder Kühn noch Eco – aber lesen kann ich sie immer noch und immer wieder!

Der Titel übrigens ist der Titel einer Kolumnensammlung von Eco (einer sehr frühen, wie man unschwer erraten dürfte). Darin empfiehlt sich etwa die Parodie: Die Entdeckung Amerikas. [Nachlesbar in Umberto Eco. Sämtliche Glossen und Parodien. Carl Hanser Verlag. 1990]

Reise zu Paul Signac

Die Formation de l’Hermitage in Lausanne präsentiert eine schöne Ausstellung mit Werken von Paul Signac (1863 – 1935) unter dem Titel „Une vie au fil de l’eau“. Kunstliebhaber kennen Paul Signac vor allem als Pointillisten.
Signac
Als begeisterter Segler hat er aber in den Jahren 1929 bis 1931 praktisch alle Häfen Frankreichs in schönen, anmutigen Aquarellen skizziert.
Signac2
Die Ausstellung umfasst knapp 140 Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen. Sie dauert noch bis 22. Mai 2016.
Wir freuten uns an Signacs grossartigen Bildern am 16. Februar, reisten per Bahn nach Lausanne und assen im Le p’tit Lausannois zu Mittag, weil das legendäre Bahnhofbuffet derzeit geschlossen ist und renoviert wird. Das Le p’tit Lausannois erreichen wir per Bus und Metro, wo die Stationen mit jeweils passenden Signeten angekündigt werden: Bei Lausanne Flo rauscht Wasser aus den Lautsprechern, bei der Station Riponne-Maurice Béjard hört man Tanzschritte, usw. Le p’tit Lausannois an der Rue du Tunnel 14 überrascht mit frischen Austern und einer grossartigen Blanquette de Veau.
Dann aber entführt uns Paul Signac zuerst zum Mont Saint Michel Signac3 und dann ins Paris des letzten Jahrhunderts. Signac4

Für Ihre Malerei machten sich die Piontillisten (allen voran Seurat und Signac) neue wissenschaftliche Entdeckungen der Farbtheorie zu Nutze. Sie setzten Pigmente der reinen Farbe in zahllosen Pünktchen unvermittelt nebeneinander und mischten die Farbe nicht mehr auf der Palette oder auf der Leinwand, sondern überließen dies dem Auge des Betrachters. Die Leuchtkraft dieser nicht vermischten, ungetrübten Farbe bleibt dadurch optimal erhalten.

Signac war bereits zu Lebzeiten ein anerkannter und bewunderter Künstler. Er wurde als chevalier de la légion d’honneur, als officier und als commandeur de la légion d’honneur ausgezeichnet. Und seine Werke gefallen noch heute. Jedenfalls uns!!

Die Fondation de l’Hermitage wird sehr bequem vom Bus 16 bedient. Allerdings nur bei der Ankunft. Die nächstgelegene Abfahrtsstation liegt wegen lange andauernden Umbauarbeiten doch einige Minuten entfernt, und will zuerst gefunden werden. Das ist bloss das zweite kleine Malheur an diesem wunderbaren, aber sehr kalten Tag. Meine Fahrplanstudien erwiesen sich nämlich als völlig ungenügend. Ich wollte dem Bieler- und Neuenburgersee entlang nach Lausanne reisen, landete aber unversehens in Morges. Wir verpassten das notwendige Umsteigen in Yverdon-les-Bains. Oder hätten einen leicht späteren direkten Zug wählen müssen. La Romandie ist mir halt doch ein leicht fremder Landesteil geworden.

PS: Die Bilder hier wirken nicht sehr beeindruckend? Gönnen Sie sich auch eine Reise zu Paul Signac nach Lausanne!

 

J.-C.-Heerstrasse

Die Buslinie 882 verbindet die Siedlung im Eschberg mit Zürich und damit mit der weiten Welt. Kommen wir zurück von der Arbeit, vom Einkauf an der Bahnhofstrasse in Zürich, vom Besuch bei Freunden, vom Ausflug oder von einem schönen Dîner am See, führt uns der Bus 882 nach Hause. Er fährt vom Bahnhof Bubikon zur J.-C.-Heerstrasse und verkündet das an seiner Front in strahlender Leuchtschrift. Er hält dann zwar nicht im Eschberg, sondern in Dürnten, Rothus aber doch praktisch vor unseren Haustüren.
Da heisst also in Oberdürnten eine Strasse nach einem Herrn Heer. Und wer, bitte sehr, war dieser Herr? Sehr viele der zahlreichen Passagiere der Linie 882 werden Jakob Christoph Heer wohl kaum mehr kennen, geschweige denn eines seiner Bücher gelesen haben. Dabei wurde „An heiligen Wassern“, publiziert 1898, bis ins Jahr 1958 744’000 mal verkauft (Quelle: Historisches Lexikon der Schweiz). Von 1882 an unterrichtete J. C. Heer in Oberdürnten, bevor er Feuilletonredaktor der NZZ wurde. Seine Lehrerausbildung genoss er am Seminar Küsnacht.
Als ich dieses Seminar besuchte, unterrichtete mich Frau Nelly Heer-Heusser, eine Verwandte von J. C. Heer, in Küsnacht in Deutsch und Englisch. Später, als Lehrer in Rüti, besuchte ich jeweils den Stammtisch im Löwen – und da sass ein Herr Heusser, der Bruder von Frau Heer, die wir „Madam“ nannten, und die gemäss einer Broschüre des Seminar Küsnacht 1971 als erste Frau als Vizedirektorin in die Schulleitung einer kantonalen Mittelschule aufgenommen wurde. 1958 war sie als erste Frau zur Hauptlehrerin gewählt worden.

„An heiligen Wassern“ schildert den Einbruch der modernen Technik in eine heile Alpenwelt.
„König der Bernina“ (erschienen 1900) erzählt vom Aufkommen des Fremdenverkehrs und den Gefahren des Massentourismus.
Aber „aktuell“ sind beide Bücher nicht mehr wirklich, sodass auch beflissene Literaturliebhaber, welche sie nicht gelesen haben, den Bus 882 von Bubikon zur J.-C.-Heerstrasse ohne schlechtes Gewissen benutzen werden.