Nichts beginnt mit der Literatur, aber alles endet mit ihr, der Orient-Express eingeschlossen

Manchmal passiert es mir, dass ich im Gespräch Dinge sage, von denen ich mich später frage, woher ich denn das wisse, wer mir das gesagt oder wo ich das gelesen hätte, dass ich es so frech behaupten könne. So geschehen auch letzthin, als ich jemandem erklärte, wo ich wohne, nämlich in Dürnten, da wo früher der EHC Dürnten auf dem Eisweiher trainiert habe und wo heute noch das alte Gebäude des Bahnhofs Tann als Garderobebaracke stehe. Fragezeichen im Gesicht meines Freundes. „Halt bei dem ehemaligen Damm der Uerikon-Bauma-Bahn.“ Und jetzt: „Da verkehrte einst auch der Orient-Express!“ Welch grossartige Wohnlage!! Später kommt die grosse Verunsicherung: Stimmt das überhaupt? Woher habe ich das? War das je möglich?

Wozu gibt es Google, WikipediA, das weltweite Netz? Auf der Homepage des Dampfbahnvereins Zürcher Oberland (DVZO), der noch die Teilstrecke Hinwil – Bäretswil – Bauma mit alten Loks und Wagons befährt und wo die Geschichte der „Überbeibahn“ erzählt wird, steht kein Wort vom Orient-Express. Auch WikipediA schweigt sich aus. Da gibt es zwar Karten vom Arlberg-Orient-Express, der ab 1931 durch die Schweiz von Basel über Zürich und durch den Arlberg nach Innsbruck führte. Aber zwischen Zürich und Innsbruck finde ich keine präzisen Angaben, sodass weiterhin unklar bleibt, ob der Orient-Express tatsächlich den Bahndamm hinter meinem Haus befuhr.

Orientexpress

In einem Artikel über Rapperswil SG lese ich dann bei „fair-hotels“: „Der legendäre Orient-Express fuhr eine Zeit lang von Warna, Budapest, Wien über Rapperswil und Uster nach Zürich und weiter nach Basel, Paris und Calais.“ Aber Hombrechtikon, Bubikon, Dürnten, Hinwil?

Die folgende Vorstellung allerdings ist doch zu verlockend; Königliche Hoheiten, die durch Dürnten hindurch dampfen und mit Begeisterung ausrufen: „Look at these real Swiss cows!“: „In Nerz gekleidete Geheimagentinnen, Herren mit Monokel und Bärtchen, undefinierbare Häuptlinge irgendwelcher Volksstämme, bildschöne Frauen, von denen niemand weiß, wovon sie leben, königliche Hoheiten auf der Flucht und indische Maharadschas.“ [Der Spiegel 14/1948]

Dann endlich werde ich fündig, und zwar auf der Homepage der Gemeinde Dürnten, wo die Geschichte der Uerikon-Bauma-Bahn zusammen gefasst wird, da lese ich doch endlich: Sogar der Arlberg-Orient-Express verkehrte einst auf dieser Linie.“

Aber woher hat das die Gemeinde Dürnten?
Hercule Poirot übrigens, Agatha Christies Detektiv in „Mord im Orient-Express“ klärte das Verbrechen im Simplon-Orient-Express auf. [Der Titel auf dieser Seite übrigens ist ein Zitat von Paul Morand.]

4 Gedanken zu „Nichts beginnt mit der Literatur, aber alles endet mit ihr, der Orient-Express eingeschlossen“

  1. Ja, ja, die einstige Hauptverkehrsachse
    Singen, Etzwilen, Winterthur, Bauma, Dürnten, Uerikon, Fähre, Wädenswil, Sattel, Arthur Goldau, Gotthard, Milano, ….
    Schöne Träume, wie Tödi – Greina – Milano …
    Spannend und wer weiss.

  2. Gab es diese Hauptverkehrsachse irgendwann einmal tatsächlich? Oder blieb sie ein Traum – wessen Traum?
    In Hans-Peter Bärtschi: Der Industrielehrpfad Zürcher Oberland
    finde ich:
    „Immerhin fuhr 1894 – 1902 der Arlberg-Express durch das Aathal.“

    1. Sicher: Gujer-Zeller initiierte und plante die Üerikon-Bauma-Bahn, erlebte aber deren Eröffnung nicht mehr. Es erging ihm ähnlich wie beim Bau der Jungfraubahn. Im heutigen Heimatspiegel des Zürcher Oberländers mit dem Titel „Von Pfahlbauten bis Industriekultur“ steht der Satz: „Von 1884 bis 1902 verkehrte auch der Arlberg-Express von Zürich nach Wien über diese Linie.“ Gemeint ist damit aber die Glatttalbahn! Womit meine Zweifel wachsen, dass über Dürnten je ein Orient-Express gedampft wäre.

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