Jazz unter der Linde samt Glockengeläut

Wir sitzen abends unter einer Linde im Hof des Ritterhauses in Bubikon und hören ein Jazz-Konzert. Es spielen die Hot City Stompers aus Luzern alte Standards aus der New Orleans Ära und Dixieland, Schmissiges und Bluesiges. Begleitet werden sie vom Kreischen jagender Schwalben und vom Glockenschlag der Kirche Bubikon. „Muss das sein, dieses Glockengeläut“, meint mein Freund, „das ist doch ein alter Hut, heute, wo schon jedes Kind eine Uhr hat.“ Recht hat er, doch ich frage mich, ob ich noch weiss, weshalb Kirchenglocken eigentlich läuten und finde – wo wohl? – Folgendes:

Die Kirchen läuteten und läuten heute noch aus zwei Gründen. Es gibt sakrales (kirchliches) und profanes (weltliches) Läuten. Das profane gibt schlicht und einfach die Zeit an und wäre aus heutiger Sicht wohl absolut unnötig, vielleicht aber doch heimelig [Conrad Ferdinand Meyer: Horch, mein Kilchberg läutet jetzt]. Das sakrale Läuten ist hauptsächlich ein Gebets- und Gedächtnisläuten. Die Glocken rufen die Gläubigen zum Gottesdienst, sie rufen zur Hochzeitsfeier oder zum Gedenken an Verstorbene. Das Gebetsläuten richtet sich nach dem Stundengebet. Vielmehr muss man wohl sagen, es richtete sich danach.

Evangelisches Stundengebet

Laudes                      Morgengebet
Sext                        Mittagsgebet
Vesper                      Abendgebet
Komplet                     Nachtgebet

Katholisches Stundengebet

Vigil, Matutin              (sehr) Frühes Morgengebet
Laudes                      Morgengebet
Prim, Terz, Sext, Non  Tagesgebete
Vesper                      Abendgebet (die Arbeit ist getan)
Komplet                     Nachtgebet (der Tag ist vorbei; Mitternacht!)

Natürlich ist das alles noch viel komplizierter, aber mir genügt es. Noch etwas zu den Lärmklagen: Und der Lärm von Autobahnen, von überlauten Motorrädern, von Flugzeugen, etc.? Sind da Glocken nicht doch irgendwie in einer anderen Kategorie?
Hier noch das Gedicht von C.F. Meyer:

Requiem

Bei der Abendsonne Wandern
Wann ein Dorf den Strahl verlor,
Klagt sein Dunkeln es den andern
Mit vertrauten Tönen vor.

Noch ein Glöcklein hat geschwiegen
Auf der Höhe bis zuletzt.
Nun beginnt es sich zu wiegen,
Horch, mein Kilchberg läutet jetzt!

 

Ein Gedanke zu „Jazz unter der Linde samt Glockengeläut“

  1. Unterdessen habe ich die Läutordnung Dürntens gefunden und zwar auf der Homepage der reformierten Kirche Dürnten:
    http://www.refduernten.ch
    Danach gibt es in Dürnten ein Mittagsläuten, Vesperläuten und Betzeitläuten. Der Stundenschlag ertönt von 06.00 bis 22.00 Uhr.
    Aber alles ist natürlich viel komplizierter, und die Läutordnung enthält 9 Paragraphen. Gerne zitiere ich daraus auch:
    Das Geläut in der Kirche Dürnten besteht aus folgenden vier Glocken:
    Glocke 1 (2953 kg), Sonntags- und Festtagsglocke, Ton: h Inschrift: „EHRE SEI GOTT IN DER HOEHE“ und Frieden auf Erden und an den Menschen ein Wohlgefallen“ (Lk. 2,14);
    Glocke 2 (1458 kg) Betglocke (Läutet auch mittags und abends), Ton: dis Inschrift: „WACHET UND BETET, DENN IHR WISSET WEDER TAG NOCH STUNDE DA DER HERR KOMMT“ (Mk. 13,33);
    Glocke 3 (847 kg), Vesperglocke, Ton: fis Inschrift: „BLEIBE BEI UNS, DENN ES WILL ABEND WERDEN, UND DER TAG HAT SICH GENEIGET.“ (Lk. 24,29);
    Glocke 4 (365 kg), Taufglocke und Kindstodglocke, Ton: h Inschrift „LASSET DIE KINDER ZU MIR KOMMEN UND WEHRET IHNEN NICHT, DENN SOLCHER IST DAS REICH DER HIMMEL“ (Mk. 10, 15)

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