Adolf Muschg im Klangmaschinenmuseum Dürnten

 

Die Lesung von Adolf Muschg Ende Januar 2020 im Klangmaschinenmuseum in Dürnten begeisterte mich. Eigentlich finde ich Lesungen von Autoren eher langweilig: Was sie lesen, lese ich lieber still und allein, was der Abend sonst bietet, ist meist eher banal: Die Vertreterin der organisierenden Institution, einer Bibliothek oder einer Kulturkommission, begrüsst den lesenden Gast, sagt etwas zu seiner Person, das meist allgemein bekannt ist, verweist auf den Büchertisch und den anschliessenden Apéro. Der Schriftsteller beantwortet oft recht lustlos pflichtschuldigst vorgetragene Fragen – und dann Weissweinglas zur Hand, Häppchen geschnappt, und der kulturelle Abend ist vorbei.

Diesmal war alles anders: Adolf Muschg zeigte sich begeistert vom Saal, in dem die Lesung stattfinden würde: Riesige und kleine Kirchweih- und Karussellorgeln standen da in grossartiger Farbenpracht rings im Saal des Klangmaschinenmuseums in Dürnten. So erzählte denn Adolf Muschg von seiner Kindheit, von der Begeisterung ob den Chilbiorgeln, und überhaupt: Dürnten und das Oberland! Sein Vater hätte viel vom Oberland erzählt, er habe einst im Oberland unterrichtet. Kein Wunder, dass der Funke zwischen dem gutgelaunten Schriftsteller und dem Publikum sofort übersprang.

Dann also die Lesung aus der «Heimkehr nach Fukushima». Schmunzelnd las der alte Mann. Immer wieder unterbrach er sich und erläuterte den Text: «Das habe ich nicht erfunden, das haben wir erlebt.» Oder: «Solche Puppen, solche Roboter werden bereits zur Altenpflege eingesetzt, sind billiger als Phillipinas.» «Das ist leider wahr: Junge Männer treffen sich zum gemeinsamen Selbstmord». An solchen Stellen wich das Schmunzeln dann einer tiefen, traurigen Ernsthaftigkeit. Kein Wunder, erinnert doch die Lektüre von «Heimkehr nach Fukushima» unweigerlich an Hiroshima, Nagasaki und Tschernobyl oder aktuellerweise eben auch an das Coronavirus, an Weltuntergangszenarien also. Und doch war der Leseabend geistreich und vergnüglich. 

Die Lesung war vorbei, man wechselte vom Hochdeutschen in die Mundart, und die Fragen an Muschg entlockten diesem ausführliche, gehaltvolle Antworten. Wie er denn überhaupt zum ersten Mal nach Japan gekommen sei? Wegen Emil Brunner, dem reformierten Theologen, obwohl er, Muschg, selbst eher Barthianer sei, wenn überhaupt! Mein Leben, so sagte er, kenne wie in einer Ellipse zwei Brennpunkte, Zollikon und Japan. Und er erzählte von den Kulturunterschieden zwischen Japan und Europa, von den sehr unterschiedlichen Verhaltensweisen von Japanern und «uns». Man gehe aber nicht zu sehr ins Detail, denn seine japanische Frau sei auch da, und wenn sie ihn wirklich ärgern wolle, schimpfe sie: «Du Japankenner!»

Ganz am Schluss liess ein freundlicher Angestellter dann doch noch die riesige Orgel gewaltig scheppernd erklingen, vor der Adolf Muschg gelesen hatte. Fünfundachtzig Jahre alt ist er, ein gescheiter, wacher, noch immer neugieriger Zeitgenosse, ein wirklicher Citoyen! Chapeau, Monsieur Muschg! Und übrigens: Ein Besuch des Klangmaschinenmuseums in Dürnten lohnt sich unbedingt!

Ein Gedanke zu „Adolf Muschg im Klangmaschinenmuseum Dürnten“

  1. Ich lese zum ersten Mal von diesem Klangmaschinenmuseum. Das möchte ich besuchen, nachher, wenn dann alles wieder normal ist, oder auch ein wenig anders als es bisher war. Dass es für mich ein Nachher gibt, davon gehe ich ganz fest aus.

    Aber eigentlich geht es hier ja um Muschg, für mich bisher unzugänglich. Aber wer weiss: vielleicht nachher…

    Emil

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