Drei lesenswerte Bücher

«Die Bücher im Regal reden miteinander». So ungefähr las ich es bei Umberto Eco, und ich erfahre immer wieder, dass es stimmt. In einer Gesprächsrunde über Literatur – die zu diesen Coronazeiten aufs Virtuelle verlegt wird – lesen wir von Angelika Overath «Ein Winter in Istanbul». Sie erzählt die Geschichte eines Engadiner Mittelschullehrers, der einen Studienaufenthalt in Istanbul verbringt und an einer Arbeit über Cusanus schreibt. Er ist verlobt mit einer schönen Churer Lehrerin, die, wie sich herausstellt, von ihm schwanger ist. Er aber verliebt sich in Istanbul in einen schönen, jungen, türkischen Mann und entdeckt, dass er schwul ist.

Ein Thema des Buches, nebst der Liebesgeschichte, ist das Verhältnis der beiden Religionen Christentum und Islam und zwar im Laufe der langen Geschichte Istanbuls oder von Konstantinopel oder Byzanz. Frau Overath lässt in ihrem Buch nebst anderen auch Llull und Cusanus auftreten, denn beide spielten eine Rolle in der Geschichte Istanbuls und beide plädierten auf wissenschaftlicher Basis erstaunlich früh für religiöse Toleranz. Und beiden bin ich bei früherer Lektüre schon begegnet.

Dem Spanier RamÓn Llull (1232 – 1316) begegnete ich auf Seite 609 in Dieter Kühns letztem Buch «Das magische Auge». Kühn baut Llulls Scheibe aus dessen «Ars magna combinatoria» nach und damit die Idee, dass in Gottes wohl geschaffener Welt alles mit allem irgendwie zusammenhängt und sich auf das Beste fügt.

Über Cusanus (1401 – 1464) las ich in George G. Szpiros «Die verflixte Mathematik der Demokratie», weil ich verstehen wollte, was «der doppelte Pukelsheimer» bedeutet. Nach der Lektüre schrieb ich auf meiner Homepage 2018 unter dem Titel «Grappa oder Limoncello – Bush oder Al Gore – Auf- oder Abrunden»:

«Im 15. Jahrhundert schlägt Cusanus ein Wahlverfahren vor, das er am Beispiel der Wahl des deutschen Kaisers erläutert, und das noch heute, zum Beispiel bei der Wahl des besten Eurovisionssongs, angewendet wird. Jeder Kandidat erhält von jedem Wähler eine Einstufung  (0 – 10 und dann 12 bei der Eurovision). Solche Verfahren erlauben „strategisches Wählen“. Rolf Nader von der grünen Partei hatte nie eine Chance, amerikanischer Präsident zu werden. Wer grün wählen wollte, wählte deshalb vernünftigerweise nicht Nader, sondern Al Gore, der auch ein bisschen grün war. Im Jahr 2000 waren aber zu wenige Wähler vernünftig, Nader erhielt zu viele Stimmen, Al Gore zu wenige, und Bush gewann. So eine Schande!! Cusanus, der eigentlich Nikolaus Krebs hiess und aus Kues an der Mosel stammte, hatte im Laufe seines Lebens eine riesige Bibliothek zusammengetragen. Im Zweiten Weltkrieg schonten die Alliierten Kues und verzichteten wegen dieser Bibliothek auf die Bombardierung des Städtchens. Cusanus war es übrigens, der beweisen konnte, dass die sogenannte Konstantinische Schenkung an den römischen Papst Silvester im 4. Jahrhundert eine Fälschung aus dem 8. Jahrhundert war.»

Wie gesagt, was da im Regal steht und einmal gelesen worden ist, das zwinkert sich manchmal im Kopf zu – wenn man Glück hat!

Angelika Overath. Ein Winter in Istanbul. Luchterhand. 2018. München

George G. Szpiro. Die verflixte Mathematik der Demokratie. Verlag NZZ. 2011. Zürich

Dieter Kühn. Das magische Auge. S.Fischer. 2013. Frankfurt am Main

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