Wanderers Nachtlied

 

„Gäll, du schtirbsch bald“, sagt mein dreijähriger Enkel, den in diesen  Tagen der Tod beschäftigt, weil in seiner Nachbarschaft ein Hund gestorben ist.  Sein Satz erinnert mich an Franz Hohlers Übersetzung des berühmten  Goethe-Gedichts:

Oobe

Über allne Flüehne
wird’s schtill.
Us allne Chräche
ghörsch nümm vill.
Der Tag isch verby.
Es Auto wyt ewägg
und denn nüt meh.
Wart no chli
s goht nümm lang
schlofs du au y.

Noch eine Erinnerung: Einer, der im buddhistischen Bhutan Lehrerinnen  und Lehrer ausgebildet hat, ein Schweizer, ein Christ, stirbt und wird in  Zürich „zur ewigen Ruh“ begraben. Während einer butterlamp-ceremony in Paro,  Bhutan, sagt der Seminardirektor mit grosser Selbstverständlichkeit: „Wir  wissen, dass er im nächsten Leben als Bhutaner auf die Welt kommen wird.“

Etwas, oder ein Leben geht zu Ende – aber es beginnt aufs Neue.  Pulsierender Rhythmus des Lebens, wusste die Antike, wissen Buddhisten. Auch  daran musste ich denken, als die Aufregung um das Weltende an der Sonnwende 2012  in allen Medien war.

So verabschiedete sich denn mein Freund Anfang Dezember schmunzelnd:  „Wir freuen uns auf den Neuanfang am 22. Dezember!“

„Nei, nei,“ sage ich meinem Enkel, „ich läbe scho no es zytli: Es neus  Jahr fangt aa, …“ Aber für den noch unsterblichen Dreijährigen ist dies alles  schon längst kein Thema mehr: „Gäll, Räuber sind bös?“

Franz Hohler. Schnäll i Chäller. Edition spoken script. Luzern. 2012

Arzneien und Pilze

Der Bundesrat möchte den Verkauf von Medikamenten liberalisieren. Herr Berset findet, wegen Husten müsse nicht jedermann zum Arzt rennen und bricht eine Lanze auch für die Apotheker, indem er mit charmantem französischem Akzent sagt: „Sie sind lange und gut ausgebildet. Sie machen das schon.“ Aber wie üblich sind alle dagegen – ausser natürlich die Migros und der Coop. Die Apotheker vor allem und die Ärzte. Diesmal schimpfen sie aus dem gleichen Boot. Noch zu Jahresbeginn standen sie sich recht wütend gegenüber – auch damals ging es um Medikamente – dass ich mich fragte, auf welcher Seite wohl Minerva stünde, die Schutzgöttin von Ärzten, Apothekern und Lehrern (vgl. Voilà – eine Schutzgöttin zum Jahresbeginn auf dieser Internetseite). Das mit den Arzneien ist sowieso eine ganz spezielle Angelegenheit. Schon Georg Christoph Lichtenberg notierte in seinen Sudelbüchern um 1770: „Die Arzneikunst machet künstliche Krankheiten, bloss um die natürlichen zu heilen.“ (Sudelbücher II. Lesebemerkungen. 188)

Die „Gesundheit“ verursacht nicht nur immense Kosten, die Herr Berset mit seinem Vorschlag senken möchte, sie spielt in unserem Leben unbestritten auch eine dominante Rolle. Letzthin erstand ich in einem nahen, riesigen, modernen Gartencenter – keine Reklame bitte – zwei Kartons voller Pilzbrut und liess mir vom Verkäufer noch einmal haarklein erklären, wie ich zu Hause vorzugehen hätte, damit die Kräuter- und Rosenseitlinge auch gut gedeihen würden. Das lockte nun einige andere Kunden an, und einer zeigte begeistert auf meine Kartons und fragte: „Sind diese Pilze gesund? Sind das Heilpilze?“ Meine Antwort, sie seien einfach nur schmackhaft, enttäuschte den Fragenden sichtlich. Ob er wohl wusste, dass der Affenkopfpilz oder Igelstachelbart (Hericium erinaceus) bei Erkrankungen des Magens empfohlen, und dass natürliches Penicillin aus Pilzen gewonnen wird?

Abschliessend sei festgestellt, dass ich mir trotz Lichtenberg eine Grippeimpfung habe verpassen lassen, und dass die Kräuterseitlinge langsam zu wachsen beginnen.

Spintisierereien über ein Gespräch mit dem Medizinmann

Ich weiss, Gödel hat sich darüber geärgert, dass sein Satz die Mathematik verlassen hat und in allen möglichen Zusammenhängen zitiert wird: Jedes hinreichend mächtige System ist entweder unvollständig oder nicht widerspruchsfrei.

Und doch bin ich nun geneigt, eine neue Erfahrung auch mathematisch zu deuten.

Bislang war ich der Ansicht, dass ein Phänomen, eine Handlung oder eine Person entweder bösartig oder gutwillig sei. Es liegt Bösartigkeit vor oder eben nicht. Ja oder nein. Ein oder Aus. Etwas oder nichts. Eins oder Null. Die Welt liest sich heutzutage digital. Nun aber lerne ich, es gäbe auch Halbbösartiges. Nämlich beispielsweise das Basaliom, was ein halbbösartiger Tumor sei. Der das erklärt, ist ein studierter Mann. Bösartig sei der Tumor, weil er immer weiter wachse und wuchere und das umliegende Gewebe grenzenlos schädige – er müsse entfernt werden. Halbbösartig sei er, weil er keine Ableger, keine Metastasen bilde. Voilà! Zwischen Bösartigkeit und Gutwilligkeit gibt es also Schattierungen. Die Welt ist einfach nicht digital.

Das erinnert mich an einen weit zurückliegenden, anderen Lernprozess: Es gibt nicht nur die bekannten und genau abgegrenzten Dimensionen Null (der ideale Punkt), Eins (die Linie oder Kurve), Zwei (die Fläche) und Drei (den Raum), es gibt – nebst den in der Mathematik üblichen höheren Dimensionen (also x hoch y, wobei y ja beliebig gross sein kann) – es gibt also auch Dimensionen zwischen Eins und Zwei beispielsweise. Nämlich etwa die Peano-Kurve oder die Koch-Kurve, ein Fraktal. Sie besteht aus 4 jeweils im Maßstab 1:3 verkleinerten Kopien der Gesamtkurve. Es ergibt sich nach D = log 4 / log 3 = 1,2618595… eine nicht-ganzzahlige Dimension.

Uff! Mathematiker mögen entschuldigen, wenn das nicht ganz korrekt dargestellt sein sollte. Ich geniesse es halt doch ein wenig, Gödel zu ärgern! Übrigens bin ich in guter Gesellschaft, wenn ich mathematische Sätze sehr vereinfachend, verallgemeinernd und deshalb verfälschend über die reale Welt stülpe: „Viele Nichtwissenschaftler sehen in der Arbeit Mandelbrots einen Beweis, dass die Küstenlänge um so größer wird, je genauer sie bestimmt wird“, lese ich in WikipediA. Die Frage „Wie lang ist die Küste Englands?“ ist tatsächlich fast ebenso berühmt wie das Bild des Schmetterlings, der in China von einer Blüte auffliegt und damit das Wetter am Bachtel beeinflusst. Benoit Mandelbrot benutzte das Problem der Bestimmung von Küstenlängen aber nur als Ausgangspunkt, um eine Anwendungsmöglichkeit für Fraktale zu zeigen. (Siehe die Fraktale in diesem Internetauftritt unter „Vermischtes 2011. Endlich eine Strassentafel“.)

Botanik für artige Frauenzimmer

Im Gedenkjahr für Jean-Jacques Rousseau, er wurde vor dreihundert Jahren geboren, war er auch Thema in den sonntäglichen Führungen des Botanischen Gartens in Grüningen. Der Chefgärtner, Herr Salm, las aus den « Lettres élémentaires sur la botanique » in der deutschen Übersetzung mit dem hübsch altmodisch klingenden Titel „Botanik für artige Frauenzimmer“. Er las den zahlreichen Besuchern, die bei schönstem Spätsommerwetter gespannt zuhörten, Passagen aus dem Buch vor und zeigte Illustrationen daraus. Beides gefiel mir so sehr, dass ich mir das Buch erstand; ich fand es allerdings nur antiquarisch über das „Zentrale Verzeichnis Antiquarischer Bücher“ – www.zvab.com. Das Buch, ein gut erhaltenes Exemplar, erreichte mich Tage später aus Bremen. Und in der Tat begeistern die Illustrationen. Es handelt sich um Zeichnungen von Pierre-Josef Redouté, dem wohl berühmtesten Blumenmaler zur Zeit Rousseaus.

 

plantze

 

 

 

So  also – nur viel farbiger und ausdrucksstärker – präsentiert  sich die Kornblume (Centaurea Cynanus) von Pierre-Josef Redouté als  Illustration zum Siebenten Brief Rousseaus an seine Freundin  Madeleine-Cathérine Delessert-Boy de la Tour.

Redouté  war der Meister der kombinierten Kupferstich- und Punktiertechnik.  Diese Technik würde, so Redouté, „Gedrucktes wie Gemaltes  erscheinen lassen“.

ll

L

l

l

l

Und  so beginnt Rousseau seinen Botanik-Lehrgang:

„Welch  vortrefflicher Einfall, liebe Freundin, Ihre lebhafte Tochter in  Pflanzenkunde zu unterrichten. Sie wird viel Kurzweil damit haben.  Ich selbst hätte es nicht gewagt, Ihnen diesen Vorschlag zu machen,  aus Angst, Sie könnten in mir den Schulmeister sehen. Aber die Idee  stammt von Ihnen, ich billige sie von ganzem Herzen. Denn ich bin  davon überzeugt, dass das Studium der Natur jederzeit und in jedem  Alter schale, leere Stunden vertreibt, ja sogar vor stürmischen  Leidenschaften schützt. Dieses Studium erfüllt nicht nur den Geist,  sondern auch die Seele.“

Vielen  Dank, Herr Salm vom Botanischen Garten in Grüningen, für ihren  Hinweis auf dieses schöne Buch!

Botanik  für artige Frauenzimmer. Lehrbriefe für eine Freundin von  Jean-Jacques Rousseau mit 65 Illustrationen von Pierre-Josef Redouté.  Dr. Hans Peters Verlag. Hanau. 1980

Eschbergfest 2012

111

Es  fand bei schönstem Wetter am 18. August 2012 statt. Und es war  schlicht grossartig. In Sachen Kinder-Animation könnte sich der Club  Med hier eine Scheibe abschneiden. Das Alpenkino verblasst gegenüber  dem Eschberg early  night children cinema.  Und hat man schon ein solches Salatbuffet gesehen, ein reicheres  Dessertbuffet genossen oder einen gewiegteren Grilleur am Werk  gesehen? Der entpuppte sich dann auch als begabter Sänger und  erntete mit seinen Songs viel berechtigten Applaus.

222

Der  Dank gilt den Organisatoren, den Zeltbauern, den Kinderbetreuerinnen,  dem Musiker, den Salat- und Dessert-Produzentinnen und –produzenten,  dem Grillkoch und nicht zuletzt auch der Aufräumequipe.

Hier  nur zwei Bilder. Andere finden sich auf dieser Homepage im Fotoalbum  unter ‚Quartier- und andere Feste’. Alle diese Fotos stammen von  Juri Steen, dem ich dafür herzlich danke.

333

Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser?

Ich war nie in Facebook. Mein Land ist Mailland. (Siehe auch: Jürg Laederach. Depeschen nach Mailland. Suhrkamp. 2009.) Die folgenden Zeilen eines Unwissenden sind also mit Vorsicht zu geniessen.
Wir sassen zu viert auf einer Terrasse an der Aare und waren uns uneinig ob dem sozialen Medium Facebook. Da herrschte die Überzeugung, dass solchen Netzen, solchen Medien die Zukunft gehöre wie etwa dem Cloud-Computing, und dass die politischen Bemühungen um Datenschutz vergebliche Liebesmüh seien: hilflose und nutzlose Versuche zur Rettung von Privatsphären, die sowieso niemand mehr achte. Privatsphäre und öffentlicher Raum liessen sich längst nicht mehr abgrenzen. Schliesslich seien die Zeiten vorbei, wo Frauen öffentlich nicht rauchten, niemand in der Strassenbahn ass oder trank – dafür umso öfter auf den Boden spuckte. Die Zukunft werde wohl ohne Homepages wie diese eschberg-page auskommen – alle würden ihre Texte und Bilder sozialen Netzen anvertrauen. Dagegen gab es aber auch Einwände: In den sozialen Medien verliere man die Kontrolle auf geradezu unheimliche Art. Nichts garantiere, dass Eigenes nicht zweckentfremdet missbraucht würde.
Da ich wie gesagt nie in Facebook war, versuchte ich mich aus der Ferne zu informieren. Während der nächsten Tage las ich die Zeitungen auf diese Problematik hin recht genau. Und es verging fast kein Tag ohne irgendeine das Thema betreffende Schlagzeile:
„Tausend Freunde sind so gut wie keiner.“ (NZZ am Sonntag, 24.6.2012) Die Warnrufe vor sozialen Medien würden immer lauter. Die grösste Gefahr sei die Vereinsamung, schrieb Regula Freuler. – Das hörte man auch, als die ersten Computerspiele aufkamen.
„Der Datenschützer Hanspeter Thür kritisiert die automatische Informationsübermittlung an soziale Netzwerke“ lese ich in der NZZ vom 26. Juni 2012.
Luzi Bernet schreibt in der NZZ vom 27.6.12: „Die sozialen Medien erhöhen die soziale Kontrolle.“
Frau Freuler zitiert aber auch Daniel Miller in „Das wilde Netzwerk. Ein ethnologischer Blick auf Facebook“: „Seit mindestens hundert Jahren konstatieren fast alle sozialwissenschaftlichen Darstellungen den Niedergang der Gemeinschaft in der Moderne. Facebook hilft uns, diese Entwicklung umzukehren.“
Ich lese, dass da Politiker Hasstiraden gegen Asylsuchende auf Facebook platzieren und andere sich sofort beeilen (müssen), sich als „Freund“ davon abzusetzen. Seltsam, dass jemand so etwas ins Netz setzt, offensichtlich die Öffentlichkeit suchend, dann aber abwiegelt und schliesslich doch das Ende der Karriere herbei führen muss. Zunächst „schützte“ ein Parteipräsident seinen Gefolgsmann mit der Bemerkung, so ein Text im Facebook sei einfach nur dumm. Dann aber liess man die heisse Kartoffel doch fallen. Ja: Dumm!
Offenbar hat da die Kontrolle funktioniert – und nicht nur in diesem Fall! Vielleicht hat ja Miller nicht so unrecht. Und den harschen Kritikern sei in Erinnerung gerufen, dass auch das altmodische Email und SMS seine Tücken hat: Florian Ast und Francine Jordi geraten auch ohne Facebook in die Schlagzeilen – die sie ja wohl auch gesucht haben.
Die Jugend aber müsse man halt schon schützen, ihnen zeigen, wie man mit Facebook verantwortungsvoll umzugehen habe, höre ich. Da muss ich nun schon schmunzeln. Das erinnert doch fatal an jene Unterrichtseinheiten in den Fünfziger Jahren: „Wie telefoniere ich“. Oder an jene Episode, wo der Bub nach Hause kommt und dem Vater erzählt, sie hätten in der Schule den Computer behandelt. Was habt ihr denn gelernt? „Wir haben in dieser ersten Stunde gelernt, wie man den Computer ein- und wieder ausschaltet.“ Ach, wir Erwachsenen!
Ich bin mir aber doch noch sehr unsicher, ob, und falls ja, wann ich Facebook einen Besuch abstatten soll.

Miteigentümerversammlung der Siedlung Im Eschberg

In der Kirche Dürnten gab’s ein Konzert, in der Mehrzweckhalle Blatt fand die Gemeindeversammlung statt und am Fernseher lockte die UEFA EM 2012. Dennoch fanden sich am 14. Juni von den vierundzwanzig Partien der Siedlung einundzwanzig Bewohner an der sechsten Miteigentümerversammlung in der Sonne ein. [Die Versammlungen 3, 4 und 5 hatte der Berichterstatter leider verpasst.]

Noch werden sechs Parkplätze in der Tiefgarage zum Verkauf angeboten. Die Velostandplätze überlaufen; es wird gebeten, ungebrauchte Velos von Grossvätern oder so zu entsorgen. Ein Versäumnis ist nachgeholt: In der Tiefgarage hängen nun Feuerlöscher. Die Garage sei im Übrigen nun endlich trocken. Aber die Beleuchtung der Wege gibt immer noch Probleme auf; die Lampen halten den Kinderspielen kaum stand, gehen so langsam in die Jahre – kein Wunder, wenn sie wie zurzeit wieder einmal den ganzen Tag brennen. Bei der Einfahrt in die Siedlung wird der letzthin bepflanzte, nun aber wieder Steppencharakter aufweisende dreieckige Spickel mit Steinen abgedeckt, welche eine Grösse aufweisen werden, die für Kinderaugen und –hände wenig verlockend sein sollte. Der Sandkasten auf dem gemeinsamen Spielplatz soll mit frischem, normalem Sand gefüllt werden; man verzichtet auf speziellen Spielsand, der sich für den Burgenbau besser eignen, andererseits den Verbrauch an Waschmittel erhöhen würde.

Ein Aufruf zu gemeinsamer Spritzaktion gegen den Buchsbaumzünsler wurde zwar intensiv diskutiert, ein Beschluss aber nicht gefasst.

Einer der beiden Abwarte tritt von seinem Amt zurück. Sein Einsatz wird herzlich verdankt und mit grossem Applaus quittiert.

Die nächste Versammlung findet am 13. Juni 2013 statt.

Der König rief, man solle allen Verrätern den Kopf abschlagen

Wir sitzen im Schauspielhaus in einer Aufführung von Richard III. von William Shakespeare. Bald verliere ich die Übersicht über all die Lords and Ladies, die Geköpften, Erhängten und Vergifteten. Ich weiss: Ein Shakespeare-Stück ist dann fertig, wenn alle tot sind. Aber wer hat nun wen weshalb umgebracht in diesen Rosenkriegen? Während der Heimfahrt erinnere ich mich daran, dass in meinem Büchergestell ein Taschenbuch steht mit der Zeichnung eines dicken Wanstes vorne drauf. In der Tat: Fallstaff schaut den Leser grimmig an! Urs Widmer erzählt alle Stücke Shakespeares von ‚Troilus und Cressida’ über ‚Coriolanus’ und ‚König Richard II.’ bis eben zu ‚Richard III.’ und ‚König Johann’ und alle Heinriche und Cleopatra … Ist das ein Morden und Abschlachten in endlosen Thronstreitereien und Kriegen! Good old Europe! Gute alte Zeit?! Kalt war es in dieser vergangenen Welt, kalt und nass und trist und lebensgefährlich.
Und so dichtete denn auch Matthias Claudius:

`s ist Krieg! `s ist Krieg! O Gottes Engel wehre,
Und rede du darein!
`s ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!

Zum Glück sind das ja längst untergegangene Welten, das Altertum und das graue, grausame, dunkle Mittelalter. Was kümmern uns Heutige Shakespeares Könige und das Jammern von Matthias Claudius? Im Tages-Anzeiger Online vom 9. Juni 2012 lese ich:

«Sie haben nichts im Dorf am Leben gelassen»
„Bei ihrem Besuch am Ort des jüngsten Massakers in Syrien haben die Beobachter der Vereinten Nationen ein Bild des Schreckens vorgefunden. In dem Dorf Al-Kubeir, wo syrische Regierungstruppen und Milizen nach Oppositionsangaben am Mittwoch dutzende Menschen getötet haben sollen, hätten sie blutige Hauswände gesehen und «einen starken Geruch von verbranntem Fleisch» wahrgenommen, teilte die UNO am späten Freitag in New York mit. Über die tatsächliche Zahl der Opfer könnten noch keine Angaben gemacht werden.“

Die heutigen tatsächlichen Grausamkeiten übertreffen bei weitem alle Gewaltphantasien – selbst ein Shakespeare verblasst dagegen.

Was hülf mir Kron und Land und Gold und Ehre?
Die könnten mich nicht freun!
`s ist leider Krieg – und ich begehre
Nicht schuld daran zu sein!

Frühjahr im Burgund

Im Eschberg in Dürnten läuft alles seinen ruhigen Gang, man mäht den Rasen, richtet Steingärten ein, kurz, der Frühling beginnt, nichts Aufregendes also. Wir verabschieden uns für einige wenige Tage ins Burgund.

Um es vorweg zu nehmen: Es regnete beinahe ununterbrochen. Wie wir über die Jurahöhen nach Frankreich hinein fuhren, schneite es sogar; es war bitter kalt. Wir reisten am Sonntag, 22. April, bei wenig Verkehr und waren schon um drei Uhr nachmittags in Beaune.

Am Montag besuchten wir Alesia, das neue Interpretationszentrum zur Schlacht zwischen Vercingetorix und Caesar 58 v.Chr. Bernhard Tschumi war der Architekt dieses imposanten Gebäudes. « Il est Français ? » demande quelqu’un lors de la visite guidée. « Bien sûr qu’il est Français », répond le guide. – Tschumi est né à Lausanne en 1944 ; il a fait ces études à l’ ETH à Zurich ! Il est Suisse et Français.

Burgund1

Dann fahren wir auf die Höhe von Alise-Sainte-Reine und bestaunen die riesige grimmige Statue von Vercingetorix! Das Schloss Bussi-Rabutin befindet sich noch im Winterschlaf. Doch Fontenay können wir nicht links liegen lassen; die grosse ehemalige Klosteranlage beeindruckt uns aufs Neue!

burgund2

Dienstags folgt der obligate Besuch von Saint-Philibert in Tournus. Auf der anschliessenden Fahrt nach Cluny halten wir in Briançon und essen im einzigen Restaurant dieses winzigen, mittelalterlichen Städtchens in eisiger Kälte zu Mittag. Auf den Besuch des trutzigen Château-fort verzichten wir. In Cluny wird nach wie vor mächtig restauriert. Das Museum ist sehr eindrücklich, während die wenigen Überreste der einstigen riesigen Klosteranlage weitgehend wegen Bauten geschlossen waren.

burgund3

Auch am Mittwoch und am Donnerstag regnet es kalt. Wir fahren nach Chablis, speisen dort in einem ehemaligen Weinkeller aus dem zehnten Jahrhundert ganz hervorragend und kaufen einige Flaschen. Der Weinhändler gibt uns Tipps für einen Besuch in Dijon und warnt uns vor sangliers auf den Autostrassen! Ohne ein Rencontre mit Wildschweinen erreichen wir Vézelay, besuchen die Kathedrale Sainte-Marie-Madeleine – auch hier wird eifrig restauriert – und fahren durch graue Regenlandschaften über Saulieu und Arnay le Duc nach Beaune zurück.

Auch am Freitag regnet es kalt. Wie uns der Gewährsmann und Wildschwein­kenner in Chablis gesagt hat, sind Les Halles in Dijon offen, ist Markt in vielen Gassen und schlendert eine Menge Volk um all die Stände herum. Wir sind begeistert! In Nuits-Saint-Georges essen wir karibisch: Die Dame des Hauses stammt aus Martinique, also gibt es Acras (frittierte Bällchen aus Crevettenmousse) und Colombo de poulet, was ein sehr mildes Curry mit Hühnerbein ist. Nachmittags fahren wir nach Rochepot und besichtigen dort frierend das Schloss. Der jugendliche, weibliche Guide spricht ein sehr korrektes, schönes Französisch.

burgund4

Abends setzt sich ein französisches Paar unseres Alters an den Nebentisch im Restaurant. Auf meine Frage, woher sie kämen, sagt der Mann: « Nous venons de Paris, comme tout le monde. »

Samstag, 28. April, und es ist noch immer kalt, und wir starten unsere Heimfahrt, wiederum über den Jura. In Les Verrières zeigt das Thermometer bereits 22° an; der französische Zoll ist geschlossen. Ich will aber Wein ausführen! « Comment je vais faire ça ? » frage ich am Schweizer Zoll. « Mais, c’est moi qui vais le faire. » « ?? »  « Les collègues français travaillent quant ils veulent et nous faisons leur travail. » Dann steigt das Thermometer weiter, und in Zürich zeigt es 31°. Wir sind zu Hause!

Ein Willkommensgruss den neuen Nachbarn

Im Frühjahr 2007 schrieb ich auf www.eschberg.ch: „Nun, bald Ende April, sind alle eingezogen in der Siedlung im Eschberg, oder eben an der Dürntnerstrasse in Dürnten.“ Fünf Jahre später stelle ich fest: Ein Teil der neuen Nachbarn „ännet dem Berenbach“ ist jetzt, Mitte April 2012, bereits eingezogen, aber noch wird an allen Häusern eifrig gebaut. Wir im Haus Dürntnerstrasse 14 stellen erfreut fest, dass unser Blick auf den Bachtel nach wie vor frei ist.

Nachbar1

Das Bild zeigt vor dem Bachtel drei Behausungen, bei denen der Baustoff Holz dominiert: Ganz im Vordergrund lockt das Insektenhotel unserer Nachbarn, in der Bildmitte prangt ein modernes Einfamilienhaus und leicht versetzt steht dahinter der älteste Bau, eine Scheune.

Nachbar2

Schön, wie unterschiedlich die neuen Häuser sind! Wir wünschen den neuen Nachbarn viel Freude an ihrem Zuhause und freuen uns selbst, wenn wir sehen, wie sie mit Energie und viel Einsatz ihre neue Umgebung gestalten.