Ein schröckliches gedicht zur unzeit

Am stammtisch dreht sich eine weile das gespräch um das feuilleton der NZZ und im besonderen um Paul Jandl, nicht verwandt mit dem weit berühmteren Ernst Jandl. Zu hause blättere ich ein bisschen in Ernst Jandls lyrik und finde dieses wirklich eindrückliche gedicht:

waunsas wissen woiz   sei greiz
woraus hoez   und bei an jedn hommaschlog
hods eam grissn   und gschrien hoda
wauns es ned von söwa   gwusd haum solz

Peter von Matt hat in seinem buch «Wörterleuchten» einen grossartigen, kurzen essay darüber geschrieben, hat die lautmalerischen qualitäten des gedichts hervorgehoben und hat auf den Dadaismus und auf Wittgensteins kippfiguren hingewiesen – auch wenn man dann weiss, was da steht, soll man den lautmalerischen ursprung nie vergessen!

Angesichts all der nächtlichen kunstlichterflut, der überwältigenden, kitschigen werbung rund um weihnachten, wo religion, wo Jesus schlicht und einfach verschwinden, emfinde ich Jandls karfreitags-aufschrei als notwendiges gegengift. Jandls eigene transkription lautet nämlich:

wenn ihr es wissen wollt sein kreuz
war aus holz und bei jedem hammerschlag
hat es ihn gerissen und geschrien hat er
wenn ihr es nicht von selbst gewusst haben sollt

Erste und letzte zeile sind laut von Matt „stammtischsätze“.

SRF: manne und fraue

Am vorabend zeigt das fernsehen einen trailer zu einer kommenden arenasendung. Daran nehmen die präsidenten der wichtigsten politischen parteien des landes teil. Der moderator Sandro Brotz zeigt deren fotos:

Marco Chiesa von der SVP
Mattea Meyer und Cédric Wermuth von der SP
Thierry Burkart von der FDP
Gerhard Pfister, „Die Mitte“
Balthasar Glättli von den Grünen
Jürg Grossen von der GLP

Jetzt folgt die sendung Meteo, moderiert von Sandra Boner. Nach der werbung moderiert Sabine Dahinden Carrel die sendung „Schweiz aktuell“. Später ist die tagesschausprecherin Andrea Vetsch im bild.

Die politik ist nach wie vor praktisch ausschliesslich männlich, während sich die medien mit holder weiblichkeit schmücken.

En Bretagne

Ein Wirteehepaar verlässt nach zehn Jahren sein Bistro und die Stadt Zürich, kauft in der Bretagne ein altes Pfarrhaus und baut es zu einem Bistro mit Chambres d’Hôtes aus. (www.lederrien.bzh) Nicht an der Küste, sondern in La Roche-Derrien.

Hier, im Le Derrien, verbringen wir ein paar herrliche Ferientage, geniessen die charmante Gastfreundschaft von Martina und Georg und natürlich Georgs hervorragende französische Küche. Die beiden Bilder zeigen den Eingang des Le Derrien und von weitem das grosse helle Haus, das Le Derrien unmittelbar neben der Eglise Sainte-Catherine de la Roche-Derrien.

Ausflüge an die Côte de Granit Rose, nach Paimpol zum Austerngenuss oder nach Perros-Guirec zu Moules am Hafen lassen uns die Vorzüge der Bretagne erleben.

Bei immer schönem, warmen Herbstwetter zeigt sich die Landschaft, zeigen sich die Städte – etwa Lannion, Tréguier oder eben La Roche-Derrien von der schönsten Seite. Und was für uns in Frankreich nie fehlen darf, das sind die Kathedralen. Hier jene von Tréguier und die Kirche von La Roche-Derrien.

Die Kathedrale von Tréguier und die Kirche in Ra Roche-Derrien

Dem Schweizer Binnenländer springt natürlich das Phänomen Ebbe – Flut ins Auge. Der Jaudy, an dem La Roche-Derrien liegt, ist Fluss und Meeresarm und damit bald trocken, bald voller Wasser.

Dem Schweizer fällt auch die offizielle Rücksicht auf das Bretonische auf: Alle Ortsschilder sind zweisprachig abgefasst. Und hier verabschiedet sich die Austernfarm auf Bretonisch – die Kelten lassen grüssen.

Hektor Haarkötter: Notizzettel

Denken und Schreiben im 21. Jahrhundert

Ich lese über 500 seiten und bin begeistert. Haarkötter ist ein achtundsechziger der ersten minute; der professor hat jahrgang 1968. Sehr angenehm ist mir seine art des genderns: Er wechselt ungekünstelt zwischen femininem und maskulinem generikum, schreibt also etwa von schreiberinnen und lesern, philosophen und juristinnen, etc.

Schreiben im 21. jahrhundert, das ist, schreibt er, in den allermeisten fällen «one-to-zero-communication», und das ist, was ich hier auf diesen seiten seit vielen jahren mache.

Auf seite 531 findet sich Haarkötters ceterum censeo:
«Medien sind nicht zum Erinnern, sondern zum Vergessen da.» Oder in einem Enzensbergerzitat: «Gespeichert, das heisst vergessen.» Die andere, ebenso oft wiederholte these lautet: Meistens gilt: Kommunikant (die mitteilende äusserung) ohne kommunikat (ohne das mitgeteilte).

Haarkötter unterteilt «seine» kulturgeschichte, die eine kulturgeschichte des westens ist, in die drei epochen manuzän, typozän und digizän, was ich sehr originell finde. Er ist überhaupt ein findiger kopf. Im kapitel zum thema sprache / schrift erfindet er analog zum ausdruck «sprichwörtlich» den begriff «schreibschriftlich».

Kronzeugen für seine geschichte des notizzettels sind ihm die manischen notizenverfasser Lionardo da Vinci, Ludwig Wittgenstein, Jean Paul, Georg Christoph Lichtenberg und Robert Walser. Ist es zufall, dass sie alle zu meinen meist gelesenen autoren (nebst Marcel Proust, aber ausser da Vinci) gehören? Haarkötter lehnt sich häufig an Foucault an, zitiert öfters Enzensberger (auch zwei meiner lieblinge), wird aber auch bei schweizer autoren fündig:
Friedrich Dürrenmatt: «Die Leserlichkeit ist die Höflichkeit der Handschriften.»
Peter Bichsel: Ein Tisch ist ein Tisch.
Hugo Loetscher mit seinem vorschlag, an einem bestimmten stichtag einen globalen delete-befehl durchzuführen.

Ich lerne noch sehr disparate dinge wie beispielweise, dass Hokuspokus vom katholischen «hoc est corpus» herkomme, oder was es mit «Kilroy was here» auf sich hat. Auch den folgenden ausspruch von Karl Valentin kannte ich nicht: «Es ist zwar schon alles gesagt, aber noch nicht von jedem.» Und dass das whiteboard von Julius Caesar erfunden wurde und im deutschen komischerweise schwarzes brett heisst, war mir neu, wie auch die deutung des vornamens von Kofi Annan. Das buch ist eine wahre fundgrube, auch von kuriositäten und frischen wortschöpfungen. So schreibt Haarkötter angesichts des dreidimensionalen notizzettels in einer gefängniszelle auf dem Hohentwiel von «gedankengelass, gehirngemach, synapsenserail und konzentrationskabuff». Es stimmt: Die lektüre dieser fünfhundert seiten braucht konzentration: Aber das lohnt sich alleweil!

Hektor Haarkötter. Denken und Schreiben im 21. Jahrhundert. S.Fischer Verlag. 2021. Frankfurt am Main

Polnisch-schweizerische familiengeschichten

Vor ein paar jahren fragte mich ein nachbar aus der siedlung im Eschberg, was es bedeute, wenn menschen in der Schweiz «interniert» würden, ob das denn nicht einfach flüchtlinge seien? Meine antwort war wohl nicht so präzise, wie ich sie nun im glossar des buches «Interniert. Polnisch-schweizerische Familiengeschichten» gefunden habe:

«Die Internierung von Militärpersonen ist seit 1907 in den Haager Abkommen geregelt. Demnach sind «nicht Krieg führende Länder» berechtigt, ausländische Militär- und Zivilpersonen in Lagern oder ähnlichen Orten, die von der Armee verwaltet werden, mit Aufenthaltsverboten ausserhalb eines bestimmten Bereichs zu belegen und, mit Ausnahme der Offiziere, zur Arbeit zu verpflichten.»

Das buch «Interniert. Polnisch-schweizerische Familiengeschichten» enthält 21 erzählungen über familien, in denen ein 1940 internierter polnischer soldat oder offizier eine schweizerin geheiratet hat. Das sind sehr unterschiedliche, aber – auch angesichts der aktuellen debatten über migration – immer sehr interessante geschichten über sehr schwierige schicksale, die nicht immer glücklich ausgehen. Meist werden sie von den enkeln recherchiert und erzählt. Für mich war übrigens neu, dass damals schweizer frauen bei der heirat mit einem ausländer ihr bürgerrecht verloren und in den erzählungen dieses buches oft staatenlos wurden, sozusagen frühe «sans papiers».

Nicht in allen fällen kommt die schweizerische politik sehr gut weg. Und doch wurde es vielen Polen ermöglicht, ihre ausbildung oder gar ihr studium in der Schweiz abzuschliessen. Der historiker Georg Kreis liefert ein knappes, sehr sachliches nachwort, das die ereignisse im zusammenhang mit der internierung der polnischen militärs vor, während und nach dem zweiten weltkrieg darlegt.

Es ist eine manchmal beklemmende, aber immer lohnende und spannende lektüre, die ich allen empfehlen möchte.

Marie-Isabelle Bill. Interniert. Polnisch-schweizerische Familiengeschichten. Chronos 2020. Zürich

Es ist montag, der 31. mai 2021

Eine mönchsgrasmücke, buchfinken, ein hausrotschwanz singen und bussarde rufen.

Eine krähe verjagt einen rotmilan. Etwas später kehrt sie, irgendwie selbstsicher, zurück.

Ein esel und rinder schreien; und da ist unermüdlich die grille.

Von ferne rauscht leise die autobahn; smartphones, fernseher und radio müssen schweigen.

Verspätete Lektüre mit erschreckender Aktualität

Manchmal wundere ich mich schon über mich. Ein Leben lang lese ich und lese und lese. Schon 1963, an der Mittelschule, vergrub ich mich in Prousts Recherche. Aber Hannah Arendts «Eichmann in Jerusalem» öffnete ich erst, nachdem ich dieses Jahr Hildegard Kellers «Was wir scheinen» gelesen hatte, diesen feinen Roman über Hannah Arendts Leben. Darin wird natürlich der «Shitstorm», wie wir heute sagen würden, geschildert, der sich nach der Publikation des Buches 1963 über Hannah Arendt ergoss.

Der Prozess gegen Eichmann fand 1961 in Jerusalem statt, nachdem die Israeli Eichmann in Argentinien festgenommen hatten. Hannah Arendt, die Jüdin aus Hannover, 1933 nach Frankreich und dann in die USA geflüchtet, nun amerikanische Staatsbürgerin, verfolgte den Prozess als Journalistin. Ihre Berichte an US-Zeitungen verarbeitete sie schliesslich in das Buch, das so schrecklich viel Staub, vor allem auf jüdischer Seite, aufwirbelte.

Es war vor allem ihre Schilderung der Rolle von jüdischen Organisationen und der Judenräte, welche die wütenden Proteste auslöste. Auch ich unterschätzte bisher die Ausmasse der «Hilfestellungen» von jüdischer Seite gegenüber den Nazis. Ohne sie wäre ein rascher Abtransport so vieler Menschen in die Gaskammern nicht möglich gewesen. Arendt analysiert aber sehr exakt die Motive und Hintergründe dieser Handlungen.

Ich kannte natürlich längst das Wort von der «Banalität des Bösen»; ich realisiere aber erst heute, dass Arendt den Untertitel ihres Buches später sehr bedauerte, weil er ihre sorgfältigen Analysen darüber, weshalb so viele Menschen dem «Bösen» so unbewegt und zuverlässig oder gar begeistert zudienen konnten, eher verschleierte als sie im Kern erfasste.

Im Detail nachzulesen, was schon in den Sechziger Jahren alles über «die Endlösung» bekannt war, wie Deutsche, wie jüdische Deutsche und jüdische Westeuropäer, wie Ostjuden, wie jüdische Organisationen im Reich und im Osten empfanden, dachten und handelten, das ist beinahe unerträglich.

Westdeutschland unter Adenauer und Israel unter Ben Gurion machen in Arendts Wahrnehmung eine überaus schlechte Figur. Und die Probleme im Nahen Osten, die heute wieder so kriegerisch aktuell sind, analysiert Arendt schon 1963 aus heutiger Sicht recht prophetisch. Ich lese eine Ausgabe der Penguin Classics aus dem Jahr 2006 mit einem gescheiten und sehr lesenswerten Nachwort von Amos Elon.

Der rückzug ins private hält an

Das virus bestimmt noch immer weitgehend unser leben. Wissen wir noch wie «ausgang» geht, wie es sich anfühlt, in einer fröhlichen menschenmenge in Zürich an der seepromenade zu spazieren, kennen wir noch die ausgelassenheit eines rummelplatzes, etwa am knabenschiessen? Nein! Sogar der Sechseläuten-böögg soll im versteckten der Schöllenenschlucht entzündet werden. Alles zieht sich zurück, flieht ins private.

Worüber soll denn hier überhaupt noch berichtet werden?

Über unseren vierundfünfzigsten hochzeitstag? Wer interessiert sich denn für so etwas? Für ein privates fest zu zweit mit festessen aus dem take away mit fünfzehn Gault-Millau punkten? [Beim abholen habe ich beinahe die maske vergessen!]

Ich suche wie so oft zuflucht in der literatur, und man teilt mir (in der heutigen NZZ) mit: Genau heute vor genau hundert jahren kam Charles Baudelaire zur welt. Reisen wir doch mit ihm nach Paris. In seinen TABLEAUX PARISIENS in den FLEURS DU MAL lesen wir, und das tröstet uns nun kaum:

«Un cygne qui s’était évadé de sa cage
Et, de ses pieds palmés frottant le pavé sec,
Sur le sol raboteux traînait son grand plumage.
Près d’un ruisseau sans eau la bête ouvrant le bec

Baignait nerveusement ses ailes dans la poudre,
Et disait, le cœur plein de son lac natal :
« Eau, quand donc pleuvras-tu ? Quand tonneras-tu, foudre ?
Je vois ce malheureux, mythe étrange et fatal,

Vers le ciel quelquefois, comme l’homme d’Ovide,
Vers le ciel ironique et cruellement bleu,
Sur son cou convulsif tendant sa tête avide,
Comme s’il adressait des reproches à Dieu. »

So, wie ich heute in pandemiezeiten nicht von einem strahlenden Paris träumen kann, so leidet auch Baudelaire an seinem von Haussmann arg umgebauten Paris.

Künstler oder künstliche intelligenz?

Unter der fragestellung «Übertrifft die künstliche Intelligenz den Schriftsteller?» berichtet Paul Jandl in der NZZ vom 11. februar 2021 über die rede von Daniel Kehlmann «Mein Algorithmus und ich». Es geht um folgendes experiment: Kehlmann oder der algorithmus beginnen eine geschichte. Der andere fährt fort. Und so geht es im wechsel immer weiter. Kehlmann, dessen roman «Die Vermessung der Welt» ich sehr schätze, attestiert dem algorithmus, er sei ein meister des wirkungsvollen anfangs. Kehlmanns selbstversuch mit künstlicher intelligenz scheitert auf interessantem niveau, schreibt Jandl.

Mich erinnert dies an eine episode vor einigen jahrzehnten. Ein mathematiklehrer erzählte mir, wir sassen vor dem schachbrett, bereit für eine partie, er habe in einer projektwoche mit seiner klasse ein computerprogramm entwickelt, welches gedichte schreibe. Das ergebnis sei sehr interessant gewesen. Vor allem aber hätten seine schüler wohl nie so intensiv mathematik betrieben wie in dieser woche. Ob er solch interessante projekte nun des öftern in den unterricht einflechten werde, fragte ich ihn. Da wehrte er entsetzt ab. Er habe dafür doch keine zeit, schliesslich müsse er «seinen stoff» behandeln. [1. c2 – c4] Ach, die schule! Da gibt es neben dem schulweg soviel interessantes zu sehen und zu erleben, aber es geht schnell geradeaus in den unterricht zur stoffbehandlung. Seneca: «Nicht für das leben, sondern für die schule lernen wir.» [Ich weiss übrigens nicht mehr, wer die seinerzeitige schachpartie gewann. Kehlmann hingegen bleibt diesmal sieger.]

Corona, schnee und lektüre

Der januar 2021 erholte sich noch überhaupt nicht von Corona, die pandemie bestimmte nach wie vor unser leben. Da waren lichtblicke und freuden gesucht – und gefunden: So viel schnee war in Dürnten schon lange nicht mehr:

So viel freude an der weissen pracht!

Natürlich galt nach wie vor «Restez à la maison!» und so genoss ich denn meine lektüre, stunden- und tagelang:

Dorothee Elmiger: Aus der Zuckerfabrik

Die in Wetzikon geborene Dorothee Elmiger berichtet über ihre langen, ausufernden recherchen zu einem eigentlich nicht ersichtlichen thema. In vielen teilen des buches geht es um zucker, um zuckerrohr, um kolonialismus und rassismus, vielleicht auch um das thema «die Schweiz und die welt» etwa bei den nachforschungen zum lottomillionär Buri. Hier zeigt sich: Die wahrheit lässt sich nicht finden, fakt und fiktion sind untrennbar ineinander verschlungen – dies ist wohl eines der tiefsten motive des buches. Die recherchenberichte sind oft sehr kurz, nur einen oder zwei bis drei sätze lang. Und doch entwickelt sich ein sog, der mich nicht mehr losliess bis zum ende, wohl immer auf der suche nach erleuchtung: Was soll das alles? Aber Dorothee erlöst einen nicht!

In erinnerung haften bleiben mir die passagen über Max Frisch in Montauk. Ich wusste gar nicht, dass Montauk ein geografischer begriff und der name eines indianervolkes ist. Erst WIKIPEDIA half da weiter, wie so oft in diesem buch!

Andere passagen betreffen Theresa von Avila, die ich auch nicht kannte, und die Pius XII 1944 zur patronin der schachspieler erhob. [Wen soll sie da beschützen? Die führer der weissen oder jene der schwarzen steine? Oder einfach die verlierer trösten?] Flora Tristan kannte ich nicht, und auch der nationalheld Haïtis, Toussaint Louverture, begegnet mir bei Elmiger zum ersten mal. Zwar mag Tingler recht haben, der im SRF-literaturklub das buch vernichtend aburteilte als schlecht verarbeitetes sammelsurium von angelesenem wissen, aber mich hat es unterhalten und auf angenehmste weise belehrt.

Arnold Esch: Von Rom bis an die Ränder der Welt

Ein zitat, das den kern des buches präzise formuliert, seite 138: «Die freude, der geschichte in freier landschaft nachzugehen». Im kapitel «Mit dem inschriftenausmeissler unterwegs» finde ich: «60 meilen ab Augsburg oder 89 km: das ist nur 10 km länger als die Luftlinie und zeigt die unbeirrbare geradlinigkeit römischer strassen – der Geta-ausmeissler sah nicht nur seinen nächsten stein, sondern auch schon den übernächsten.» Besonders begeisterte mich natürlich das erste kapitel: «Historische landschaft Burgund», da geht es um die Burgunder, also die Nibelungen, um Bibracte und Cäsar, um Alesia und Tournus, Auxerre und natürlich auch Verdun, alles orte und namen, denen wir in unseren fast jährlichen reisen nach Frankreich ständig begegnen, und denen ich nun in anderem, historischem zusammenhang begegne.

Die beschreibung der wanderung entlang der Via Valeria zwang mich, in die Italienkarte zu schauen, doch fand ich nicht alle ortsangaben. Immerhin. Es zeigte sich, dass wir in den ferien in Tortoretto Lido und Pescara ganz in der nähe gewesen waren. [So war ich denn auch entsetzt, lesen zu müssen, dass auf der passhöhe des Septimers römische spuren zu sehen wären, was ich seinerzeit nicht gewusst hatte, als ich mit der klasse von Bivio nach Vicosoprano wanderte. Schande über den jungen lehrer – na, die schüler hätte es wohl nicht wirklich interessiert.] Das kapitel zum passverkehr über die Alpen faszinierte mich als nichthistoriker vor allem quellentechnisch: was Esch da aus alltäglichen notizen und tabellen herausliest, wie sorgfältig er damit umgeht, das beeindruckt mich sehr.

Ganz am schluss dann die Transsibirische Eisenbahn unmittelbar nach dem zusammenbruch der Sowjetunion. Das muss ich ein zweites mal mit einer karte in der hand nachlesen, denn in dieser gegend war ich noch nie. Bhutan ist halt nicht die Mongolei. [Esch arbeitet übrigens öfters mit hinweisen auf Google Earth oder mit genauen ortsangaben (anzahl grad, minuten und sekunden nord und ost etc.) Die bemerkung, wenn man Egon Erwin Kischs reportagen aus den jahren 1925/26 gleichzeitig mit Solschenizyns GULAG lese, werde einem schwindlig, rief mir meine seinerzeitige GULAG-lektüre in erinnerung. Aber wo sind die bücher?

In den anmerkungen stelle ich fest, dass Esch in Bern und Zürich gelesen hat. [Mein Freund Heini Müller wird ihn also gut kennen, denke ich.] Der klappentext erwähnt viel lieber seine arbeit in Rom, unter anderem bei der päpstlichen akademie für archäologie. Logo!!