Drei musikerlebnisse der ganz besonderen art

  • Unser tonhalleabonnement enthält einen abend betitelt mit «tonhalleLATE – classic meets electronic» – classic klein und electronics gross? Am 24. märz  um 22:00 uhr fassen wir an der kasse beim vorzeigen unserer abonnements je ein papierenes handgelenkband, das uns einlass gewährt in das schummrig-lasziv beleuchtete foyer im parterre mit sitzgelegenheiten und bar. Wir geniessen ein glas prosecco und bestaunen das diesmal vorwiegend junge bis sehr junge publikum mit vereinzelten «sehr erwachsenen» wie wir es sind. Für einmal also gelingt die durchmischung der generationen: grossartig! Wir setzen uns an unsere angestammten plätze und werden nicht belästigt, obwohl die devise lautet «unnumeriert» und der saal ausverkauft ist. Das sehr grosse orchester stimmt sich sehr laut ein, das publikum unterhält sich fröhlich und sehr laut, ist dann aber beim auftritt von Paavo Järvi mucksmäuschen still. Wir hören mit begeisterung die Alpensinfonie von Richard Strauss, ein gewaltiges, meist sehr lautes werk. Tosender applaus! Dann beginnt die party mit DJs, techno oder disco oder?  – und wir fahren nach hause. Soviel zu meiner begeisterung über die generationenvermischung!

  • Tags darauf sitzen wir vor der TV und schauen uns das finale der schweizerischen talentshow an. Die kandidaten tanzen, turnen, performen und singen. In die endausscheidung der «besten» drei gelangen allesamt musiker: ein chor junger frauen, die einen sehr populären popsong vortragen, eine gruppe junger Emmentaler, die in bester, wilder hardrock manier rock and roll darbieten, und ein herr in den besten jahren in anzug und mit schlips, der eine opernarie vorträgt, ein tenor fast à la Johannes Heesters. Und wer gewinnt die publikumsabstimmung? Der Johannes! Ja, wer sitzt denn da vor der glotze?

  • Heute, am 26. märz 2023 genossen wir eine grossartige japanische matinee in der tonhalle, nachdem ich bereits am vergangenen donnerstag ein japanisches dîner bei einem freund mitkochen und geniessen durfte. In anwesenheit des komponisten hörten wir musik von Toshio Hosokawa, der seinerzeit auch bei Klaus Huber, dem sohn meines gesanglehrers am seminar, Walter Simon Huber (WaSiHu), komposition studiert hatte. Sabine Poyé Morel spielte die flöte, Sarah Verrue die harfe, Hendrik Heilmann schlug oft unerhört heftig in die klaviertasten, nur um dann die töne oft sehr lange und langsam ausklingen zu lassen, und Klaus Schwärzler bearbeitete die trommeln und das marimbaphon. Es waren fast immer solostücke; nur zweimal wurde die flöte vom klavier begleitet. Europäische musiker wie Bach oder Bruckner, so schreibt Hosokawa im programmheft, bauen kathedralen, er mache kalligraphie. (Mich erinnert das an den talentkandidaten, der als sandmaler die feinsten, sehr eindrücklichen figureen schuf – und sie dann mit einem wisch wieder zum verschwinden brachte.) Nicht die tonfolgen interessieren, sondern der ton. Der ton in der stille. Die einführung hielt gewohnt eloquent und pointiert Stefan Zweifel, der darin Nicolas Bouvier auf seiner reise im Topolino vom Wallis nach Ceylon und von da nach Japan begleitete. Stefan Kurt las texte von Bouvier über Japan aus den sechzigerjahren, übersetzt von Stefan Zweifel. Diese matinee machte mich natürlich nicht zum japankenner (das herzliche schimpfwort von Adolf Muschgs frau für ihren mann), vermittelte mir aber immerhin eine ahnung davon, wie unermesslich unterschiedlich westeuropäische gesellschaft und japanische kultur sind. Oder irre ich mich da?

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