Satire in Arosa

Wie jedes Mal seit 2009, ausser letztes Jahr, verbrachten wir einige Tage am Humorfestival in Arosa.

Aussicht vom Balkon der Sonnenhalde Richtung Hörnli.

Es gab Schnee und Sonne, feines Essen und scharfe Satire. Letztere kam zum einen von Simone Solga, die in der Schweiz um Asyl nachsuchen wollte, weil man in Deutschland nicht mehr sagen dürfe, was man denke – und sagte es dann im Tschuggen Zelt ausführlich und deutlich und in geschliffenem Hochdeutsch. Das hatten wir doch schon einmal gehört, dass man sich nicht mehr getraue, seine Meinung zu sagen, wo denn? Ach ja, auf der Donau. Von einem deutschen Ehepaar aus Frankfurt. Und an meinem Stammtisch sitzt jeweils einer, der sich noch getraut, der aber deutlich sagt, das sei nicht nur an amerikanischen Universitäten zum Problem geworden, sondern auch bei uns in der Schweiz: Wer nicht mit dem Mainstream übereinstimme, wer gegen ihn argumentiere, der erlebe Schlimmes. Mainstream? «Der linke, sozialistische Liberalismus», meinte er. Die politischen Begriffe sind halt nicht mehr so klar wie auch schon!

Anderntags wetterte eine Bernerin aus Thun gegen den Mainstream und machte sich satirisch überhöht lustig über Vegetarier und Veganismus. Selbst auf den Grill dürfe kein Fleisch mehr zu liegen kommen. Zucchetti auf dem Grill?? «Das ist thermische Unkrautvernichtung!», rief Lisa Catena aus, wenn auch auf Berndeutsch. Ihre dennoch spitze Rede versüsste sie mit zwei Liedern, begleitet auf der Guitarre von Frölein Dacapo, weil sie die ihre vergessen habe. In einem Song schimpfte sie zunächst auf die dummen Geranien im Bernbiet all überall («s’bluemete Trögli» kommt mir in den Sinn), schwärmte dann von der multikulti WG in der grossen Stadt – wohl Zürich – bis sie mit ihrem heranwachsenden Sohn dann doch für etwas Ordnung und Disziplin einstand und die Geranien plötzlich nicht mehr so abseitig fand. Ich fand das recht hübsch.

Zur Satire übrigens hat ein ganz Alter etwas zu sagen, nämlich Jean Paul, der Zeitgenosse Goethes (Paul: 1763 – 1825; Goethe: 1749 – 1842):

«Die Satire bessert selten. Damit sei sie nicht bloss lächelnd, sondern bitter, um die Toren, die sie nicht bessern kann, wenigstens zu bestrafen.»

Ich entnehme das Zitat den kürzlich erschienenen Jean Paulschen Aphorismen. Darin nimmt er in einem Satz eine Schlüsselszene von Marcel Prousts «A la recherche du temps perdu» voraus: «Ein einziger Geruch weckt ganze Gruppen von alten Empfindungen wieder auf; wirkt mehr auf die Phantasie als selbst das Auge.»

Jean Paul Richter. Bemerkungen über uns närrische Menschen. Aphorismen. Verlag tredition GmbH. Hamburg

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